Fragen und Antworten zur Inflation
Warum ist die Inflation so hoch? Werden die Preise noch weiter steigen? Und welchen Einfluss haben die EZB und nationale Zentralbanken wie die Bundesbank auf die Inflation? Wichtige Fragen zur Inflation beantworten wir hier.
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- Inflation bedeutet, dass die Verbraucherpreise für Waren und Dienstleistungen über längere Zeit allgemein steigen, sich also das allgemeine Preisniveau beständig weiter erhöht.
- Vor allem Verbraucherpreise für Energie und Nahrungsmittel steigen zurzeit besonders stark. Der Preisauftrieb hat aber deutlich an Breite gewonnen.
- Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung ist groß und die Risiken für die Inflation sind aufwärtsgerichtet – vor allem aufgrund von Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Steigen nicht nur die Preise einzelner Waren und Dienstleistungen, sondern nehmen die Verbraucherpreise auf breiter Front über längere Zeit zu, nennen Ökonom*innen das Inflation. Im Mai 2022 stieg die Inflationsrate in Deutschland, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), auf 8,7 Prozent (8,1 Prozent im Euroraum). Im Jahresdurchschnitt 2022 dürfte die am HVPI gemessene Inflationsrate gemäß der jüngsten Bundesbank-Projektion hierzulande 7,1 Prozent betragen (siehe Link unten). Für die Inflationsrate im Euroraum haben die Expertinnen und Experten des Eurosystems in ihrer jüngsten Prognose 6,8 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022 vorausgeschätzt. Bis zum Jahr 2024 würde die Inflationsrate dann allmählich wieder auf etwas über 2 % sinken. Sie läge damit aber immer noch oberhalb des Inflationsziels von 2 Prozent, das der EZB-Rat im Euroraum mittelfristig anstrebt.
Dass die Inflation aktuell so hoch ist, liegt vor allem an den rasant gestiegenen Preisen für Energie und Nahrungsmittel. Die Energiepreise hatten schon vor dem Krieg in der Ukraine kräftig zugelegt.
„Der Krieg und seine Folgen verschärften den ohnehin hohen Preisdruck“
, schreiben die Bundesbank-Volkswirtinnen und Volkswirte im aktuellen Monatsbericht. Zudem hat der Preisauftrieb deutlich an Breite gewonnen. Mittlerweile fällt auch die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel in Deutschland mit zuletzt 4,0 % weit höher aus als im historischen Durchschnitt (1,1 %).„Der Preisdruck hat sich zuletzt sogar nochmal verstärkt, was die jetzt vorgelegten Projektionen nicht vollständig abbilden“
, betonte Bundesbankpräsident Joachim Nagel mit Blick auf die aktuellen Projektionen seiner Institution für Deutschland.„Wenn man diese Entwicklung fortschreibt, könnte die HVPI-Rate im Jahresdurchschnitt 2022 deutlich mehr als 7 Prozent betragen.“
Ab dem kommenden Jahr dürfte die Inflationsrate in Deutschland allmählich abnehmen. Die HVPI-Rate könnte gemäß den Projektionen auf 4,5 Prozent im Jahr 2023 und 2,6 Prozent im Jahr 2024 zurückgehen.
„Der Rückgang der Inflationsraten im Euroraum wird kein Selbstläufer sein“
, so Bundesbankpräsident Joachim Nagel.„Die Geldpolitik ist aufgerufen, die Teuerung durch konsequentes Handeln zurückzuführen.“
Weiterführende Informationen
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- Ausgaben für Energie machen im Durchschnitt gut 10 Prozent aller Ausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher aus.
- Die Verbraucherpreise für Energie schwanken sehr viel stärker als die Preise für viele andere Waren und Dienstleistungen.
- Wird Energie teurer, wird auch die Herstellung zahlreicher anderer Waren und Dienstleistungen teurer.
Die Ausgaben für Energie machen für sich genommen im Durchschnitt bereits gut 10 Prozent (gemessen am HVPI) der Ausgaben privater Haushalte aus. Veränderungen der Energiepreise können die Inflationsrate somit deutlich beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Notierungen von Energieträgern wie Öl oder Gas auf den Rohstoffmärkten häufig sehr stark schwanken. Die Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen zwar nicht direkt Rohöl, aber Kraftstoffe wie Benzin und Diesel oder auch Heizöl. Deshalb merken sie es sehr schnell, wenn sich die Notierungen für Energierohstoffe ändern: Sinken etwa die Rohölnotierungen, fallen in der Regel auch die Preise für Kraftstoffe und Heizöl. Wird Öl wieder teurer, lässt sich dies auch zügig an höheren Preisen an den Zapfsäulen oder an der Heizölrechnung ablesen. Steigen die Preise für Erdgas, führt dies aufgrund der Abhängigkeit der Stromerzeugung vom Erdgas auch zu höheren Strompreisen. Schließlich benötigt die Herstellung und die Verteilung von sehr vielen Produkten und Dienstleistungen Energie – angefangen von Lebensmitteln oder Kleidung bis hin zu Reisen oder einem neuen Haarschnitt, der in die richtige Form geföhnt wird. Wird Energie teurer, werden daher häufig auch viele andere Waren und Dienstleistungen nach und nach teurer.
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- Um statistischen Messfehlern zu begegnen
- Um einen „Sicherheitsabstand“ zur Deflation zu wahren, also einem allgemeinen, anhaltenden Sinken des Preisniveaus.
Nach Auffassung des EZB-Rats kann Preisstabilität am besten gewährleistet werden, wenn mittelfristig eine Inflationsrate (gemessen am HVPI) von 2 Prozent im Euroraum angestrebt wird. Doch wären unveränderte Preise – also ein Inflationsziel von null Prozent – nicht für alle Beteiligten am besten? Nein, und dafür gibt es gute Gründe.
- So sind zum einen gewisse Fehler bei der statistischen Preismessung zu berücksichtigen. Solche Messfehler könnten dazu führen, dass die von statistischen Ämtern gemessene, amtliche Inflationsrate etwas höher ausfällt als die tatsächliche.
- Ein moderater Preisanstieg bietet zudem einen „Sicherheitsabstand“ gegen eine Deflation, also ein allgemeines, anhaltendes Sinken des Preisniveaus. Ein Sicherheitsabstand ist ratsam, weil eine Deflation mit der Gefahr einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale verbunden ist.
- Einer deflationären Abwärtsspirale ist mit geldpolitischen Mitteln schwer zu begegnen, denn die (nominalen) Zinsen können nicht deutlich unter null Prozent gesenkt werden. Deshalb ist es ratsam, es gar nicht erst zu einer Deflation kommen zu lassen.
- Schließlich stellt das Ziel einer moderaten Preissteigerung sicher, dass einzelne Euro-Länder, in denen die Inflationsrate vom Durchschnitt im Euroraum etwas nach unten abweicht, nicht in eine Deflation geraten.
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- Die Mitarbeiterrinnen und Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts messen die durchschnittlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und legen basierend darauf einen Korb von Waren und Dienstleistungen fest. Die Preisentwicklung dieses Warenkorbs vergleichen sie über die Zeit.
- Je nach Euro-Land und den dortigen Konsumgewohnheiten der Bevölkerung variieren diese Warenkörbe.
Wie sich die Verbraucherpreise in Deutschland insgesamt entwickeln, messen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts und der Statistischen Landesämter. Dazu beobachten sie laufend die Preise für einen großen Korb von Waren und Dienstleistungen, für die Verbraucher*innen in Deutschland im Durchschnitt Geld ausgeben. Dazu gehören viele verschiedene Lebensmittel ebenso wie Benzin, Möbel, Pauschalreisen, Mieten oder Versicherungsbeiträge. Der Inhalt des Warenkorbs wird laufend angepasst, etwa um veränderte Konsumgewohnheiten oder neue Produkte zu berücksichtigen. Insgesamt betrachten die Statistikerinnen und Statistiker rund 650 Güterarten. Für diese Güterarten erfassen sie jeden Monat mehr als 300 000 Einzelpreise.
Aus der Vielzahl von Daten berechnet das Statistische Bundesamt dann monatlich den sogenannten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Er fasst alle für die Verbraucherinnen und Verbraucher wichtigen Preise in einer Zahl zusammen. Die prozentuale Änderung dieses Index gegenüber dem Vorjahr ist die Inflationsrate. Liegt der HVPI beispielsweise 1,5 Prozent über seinem Wert vor zwölf Monaten, dann entspricht das einer Inflationsrate von 1,5 Prozent. Für den HVPI gelten in allen Euro-Ländern verbindliche einheitliche Berechnungsgrundsätze – die Warenkörbe sind aber selbstverständlich von Land zu Land unterschiedlich, je nach Ausgabeverhalten. Jedes Land im Euroraum meldet seinen Harmonisierten Verbraucherpreisindex regelmäßig an die europäische Statistikbehörde Eurostat. Auf dieser Basis wird dann die amtliche Inflationsrate für den gesamten Euroraum berechnet. Für Deutschland weist das Statistische Bundesamt auch noch den Verbraucherpreisindex (VPI) aus. Diesen VPI berechnet das Amt nach nationalen Grundsätzen. Üblicherweise sind die Unterschiede zwischen den Inflationsraten gemessen am HVPI und am VPI in einzelnen Monaten nicht besonders groß.
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- Die Bezieherinnen und Bezieher fester Einkommen können sich kaum vor Inflation schützen, dies gilt insbesondere für die Bezieherinnen und Bezieher sozialer Transfers.
- Für eine gesunde, wachsende Wirtschaft ist es wichtig, dass der Wert des Geldes stabil bleibt. Inflation beeinträchtigt auf vielerlei Weise Wachstum und Wohlstand:
- Inflation verhindert den effizienten Einsatz von Ressourcen: Preise geben Signale über Knappheit und Überschuss auf Märkten. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass Ressourcen, wie zum Beispiel Arbeit und Kapital, dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden. Wenn zum Beispiel die Preise für Mikrochips stark steigen, wissen die Hersteller, dass Mikrochips knapp sind, die Nachfrage also groß ist. Sie werden dann überlegen, ob sie ihre Produktion ausbauen und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Inflation beeinträchtigt diese Signalfunktion. Denn nur bei allgemein stabilen Preisen können Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer Preissteigerung eindeutig auf Knappheit des betreffenden Gutes schließen.
- Höhere Teuerungsraten bedeuten häufig auch stärker schwankende Teuerungsraten. Diese Schwankungen stellen ein Risiko für Anlegerinnen und Anleger sowie Unternehmerinnen und Unternehmer dar und erschweren damit langfristige Investitionen.
- Steigende Preise führen in einem progressiv ausgestalteten Steuersystem zu höheren Belastungen, ohne dass dem eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorausgegangen ist. Das kann die Wachstumskräfte dämpfen.
- Unerwartete und schwankende Inflation führt zu einer willkürlichen Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Steigt die Inflation unerwartet hoch, sinkt der reale Wert von Schulden. Dann werden beispielsweise Schuldnerinnen und Schuldner entlastet und Gläubigerinnen und Gläubiger belastet. Dies kann dazu führen, dass das Vertrauen in die Eigentumsrechte untergraben wird.
- Meist führt Inflation auch zu sozialen Verwerfungen. Sozial schwächere abhängig Beschäftigte haben nur eine geringe Verhandlungsmacht bei der Entlohnung ihrer Arbeit. Haushalte, die soziale Transfers erhalten, sind abhängig von politischen Entscheidungen. Sozial schwächere Haushalte geben außerdem einen größeren Anteil ihres Einkommens für den täglichen Konsum aus und leiden deshalb relativ stärker unter hohen Inflationsraten. Sie verfügen über wenig Puffer, wenn die Preise stark steigen, und müssen dann ihre Ausgaben in realer Betrachtung einschränken.
Die möglichen Folgen von Inflation zeigen, wie wichtig es ist, dass der Wert des Geldes stabil bleibt. Eine wichtige Voraussetzung, damit Preisstabilität gewährleistet werden kann, ist die Unabhängigkeit der Zentralbank.
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- Die EZB hat gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken des Eurosystems die Aufgabe, für stabile Preise zu sorgen.
- Dafür stehen ihr eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, insbesondere die Leitzinsen. Der EZB-Rat hat diese im Juli erstmals seit 2011 angehoben. Zudem hat er weitere Zinsanhebungen in Aussicht gestellt. Denn höhere Zinsen dämpfen die Nachfrage und somit auch die Preisentwicklung.
- Mittelfristig strebt die EZB ein Inflationsziel von 2 Prozent an. Dabei sind Abweichungen nach oben genauso unerwünscht wie Abweichungen nach unten
Im Euroraum hat das Eurosystem, also die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder, die Aufgabe, für stabile Preise zu sorgen. Das Eurosystem bestimmt im Rahmen seiner Geldpolitik die Kosten, zu denen sich Geschäftsbanken bei ihm kurzfristig Geld leihen können. Damit steuert es die kurzfristigen Zinsen, die Banken für Kredite untereinander verlangen, und nimmt indirekt Einfluss auf die Zinsen für Bankkredite an Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Höhe dieser Zinsen entscheidet darüber, ob sich für Unternehmen Investitionen lohnen. Sie beeinflusst außerdem, welche Anteile ihrer Einkommen die Verbraucherinnen und Verbraucher lieber sparen als ausgeben. Anpassungen der Leitzinsen haben zudem Auswirkungen auf die Erwartungen der Wirtschaftsakteure und auf den Wechselkurs der Währung. Über all diese Kanäle wirkt die Geldpolitik auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auf die Entwicklung der Verbraucherpreise. Um etwas gegen die aktuell hohen Inflationsraten zu tun, hat der EZB-Rat die Leitzinsen im Juli erstmals seit 2011 angehoben. Zudem hat er weitere Zinsanhebungen in Aussicht gestellt. Denn höhere Zinsen dämpfen die Nachfrage und somit auch die Preisentwicklung.
Nach Auffassung des EZB-Rats kann Preisstabilität am besten gewährleistet werden, wenn mittelfristig eine Inflationsrate von 2 Prozent angestrebt wird. Dabei sind Abweichungen der mittelfristigen Inflationsaussichten nach oben genauso unerwünscht wie Abweichungen nach unten. Das Wort „mittelfristig“ ist unter anderem deshalb so wichtig, weil vorübergehende Abweichungen von diesem Ziel nicht unbedingt eine Antwort der Geldpolitik erfordern. Für die Geldpolitik ist vielmehr entscheidend, dass die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen fest auf dem angestrebten Niveau von 2 Prozent verankert sind.
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- Wechselseitige Lohn- und Preissteigerungen, die möglicherweise von höheren Inflationserwartungen begleitet werden
- Eine solche Spirale kann die Inflation verfestigen oder sogar verstärken
- Sie zu verhindern, ist Aufgabe einer stabilitätsorientierten Geldpolitik
Das Leben in Deutschland ist teurer geworden. Daher ist es verständlich, dass Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften für höhere Löhne kämpfen, um einen Ausgleich für die gestiegenen Preise zu erhalten. Diese Reaktion auf die Preisveränderungen nennt sich Zweitrundeneffekt. Übermäßige Lohnerhöhungen können jedoch dazu führen, dass sich die Inflation verfestigt, und können die Inflation im schlimmsten Fall sogar befeuern. Denn gestiegene Löhne führen zu steigenden Produktionskosten der Unternehmen. Wachsen die Löhne stärker als die Produktivität, versuchen die Unternehmen, ihre gestiegenen Kosten durch Preissteigerungen wettzumachen. Die gestiegenen Preise veranlassen die Gewerkschaften dann tendenziell zu weiteren Lohnforderungen, was erneut Preisanhebungen nach sich zieht. Dieser Prozess wird Lohn-Preis-Spirale genannt. Er kann sich sehr schnell aufschaukeln, wenn die Tarifparteien versuchen, sich vorausschauend gegen höhere Löhne und Preise zu schützen. Dies zu verhindern, ist Aufgabe einer stabilitätsorientierten Geldpolitik.
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