Frankfurt und die Banken: ein starkes Team im Herzen Europas? Festrede anlässlich des Neujahrsempfangs der Stadt Frankfurt

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Sehr geehrten Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen allen ein gutes und gesundes neues Jahr! Im Januar liegt das neue Jahr noch vor uns. Wir alle haben die Chance, vieles besser zu machen als im vergangenen Jahr. Deswegen schauen wir gerade im Januar mit viel Optimismus in die Zukunft. 

Der Monat Januar ist benannt nach dem römischen Gott Janus. Janus wird oft mit zwei Gesichtern gezeigt, eines schaut in die Vergangenheit, das andere in die Zukunft. Wenn wir zurückschauen, freuen wir uns darüber, dass Frankfurt erst kürzlich wieder zu einer der lebenswertesten Städte der Welt gekürt wurde.[1] Frankfurt wurde ausgezeichnet aufgrund des wirtschaftlichen Wohlstandes, der effizienten öffentlichen Verkehrsmittel und des großen kulturellen Angebots. 

Wir freuen uns, dass Menschen aus 177 Nationen in Frankfurt friedlich zusammenleben. Und natürlich freut uns der Sieg der Eintracht letzten Samstag gegen Leipzig. Kurzum, für viele Menschen ist es schön, in Frankfurt zu leben oder zu arbeiten. 

1.1 Gefühl der Unsicherheit

Gleichzeitig beschleicht uns alle beim Blick auf das neue Jahr auch ein Gefühl der Unsicherheit. Kriege und Krisen auf der ganzen Welt, auch in Europa, die unermessliches Leid für Hunderttausende bedeuten.

Zudem gibt es geopolitische Entwicklungen, die die Weltordnung auf den Prüfstand stellen. Chinas Rolle in der Welt ändert sich und mit ihr die Beziehungen der Welt zu China. Die USA stehen vor einer entscheidenden Wahl, deren Ausgang unser Verhältnis zu Amerika prägen wird. Und bei uns in Europa erleben wir das Aufstreben rechtsextremer Kräfte. 

Meine Damen und Herren, in diesen unsicheren Zeiten müssen wir in Europa, in Deutschland unsere gemeinsamen Werte hochhalten. Grundwerte wie Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Sicherheit müssen wir verteidigen.

1.2 Wertekanon in Frankfurt und Verantwortung Frankfurts

Hier in Frankfurt, im Herzen Europas, ist das Alltag. Ob in den Banktürmen, bei der Eintracht oder auf dem Wochenmarkt an der Konstablerwache. In Frankfurt leben wir Weltoffenheit, Toleranz, Demokratie und andere liberale Werte. Frankfurt ist damit ein Vorbild für viele Regionen. 

Wir alle wissen, dass Vorbilder auch eine besondere Verantwortung haben. Frankfurt trägt also eine besondere Verantwortung. Schon im Mittelalter war Frankfurt ein weltoffenes Drehkreuz. Und entwickelte sich dank seiner günstigen Lage rasch zu einem wichtigen Handels- und Finanzstandort. Hier ging früh Hand in Hand, was zusammengehört: eine starke Wirtschaft und ein starker Finanzplatz. Starke Wirtschaft und starker Finanzplatz: Eine Beziehung, die für Wachstum und Wohlstand in der Region gesorgt hat. 

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Wohlstand und wirtschaftliche Sicherheit sind das Fundament einer starken Demokratie! Wohlstand, wirtschaftliche Sicherheit und Demokratie: Dafür steht Frankfurt. Daraus erwächst für Frankfurt auch eine besondere Verantwortung. Eine nationale, wenn nicht gleich europäische Verantwortung. 

In Deutschland erleben wir eine Welt im Wandel. Auch Deutschland selbst steht vor enormen Veränderungen. Kriege, Krisen und geopolitische Machtverschiebungen haben großen Einfluss auf unsere Sicherheit, aber auch auf unsere Wirtschaft. Wandel zeigt sich auch beim Einsatz von künstlicher Intelligenz, beim Klima und in der Demografie. 

Meine Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft steht vor einem historischen Umbruch. Sie wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten anders aufgestellt sein müssen als heute. Nur so wird es uns gelingen, die Wirtschaftsstärke und den Wohlstand in Deutschland zu halten. Nur so wird es uns gelingen, das Fundament für unsere Grundwerte zu sichern. Wirtschaftliche Souveränität ist dafür unabdingbar.

Wandel steht für Veränderungen. Veränderungen machen vielen von uns Angst. Veränderungen müssen aber von den Menschen gewollt und mitgetragen werden. Daher ist es so wichtig, jeden und jede mit auf die Reise zu nehmen. Die jüngsten Proteste der Landwirte, die mit ca. 600 Traktoren auch in Frankfurt demonstrierten, haben dies gezeigt. 

Statt Wut brauchen wir Mut. Und Mut macht, dass ein Wandel auch viele neue Chancen bringt. Diese Chancen können wir ergreifen. So kann es uns gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsstärke Deutschlands zu erhalten.

2 Wirtschaft im Wandel, Finanzplatz im Wandel 

Jetzt stellen sich viele von Ihnen die Frage: Was ist denn nun die Rolle Frankfurts, bei all diesen gewaltigen Herausforderungen? Nun, Frankfurt hat den größten deutschen Finanzplatz. Wir in Deutschland brauchen viele Innovationen und neue Technologien, um die notwendige Transformation zu meistern. Um Wachstum zu fördern. 

Dazu benötigen wir viel Geld, sehr viel Geld. Der Staat wird davon nur einen Bruchteil stemmen können. Wir brauchen also vor allem privates Geld, privates Kapital. 

Über welche Summen sprechen wir denn überhaupt? Die Europäische Kommission rechnet für die EU auf dem Weg zur Klimaneutralität mit Investitionsanstrengungen von über 600 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030.[2] Die staatliche Förderbank KfW, die ihren Sitz hier am Palmengarten hat, schätzt den Investitionsbedarf dafür bis 2050 auf etwa fünf Billionen Euro. Und das allein für Deutschland.[3]

Angesichts dieser Summen brauchen wir einen starken Finanzplatz, der Wachstum finanziert. Wir brauchen Frankfurt. Frankfurt ist nicht nur der größte Finanzplatz in Deutschland, sondern auch in Europa ein bedeutendes Finanzzentrum. Frankfurt hat deshalb eine Verantwortung für Deutschland und für Europa bei der Finanzierung künftigen Wachstums. Wir in Frankfurt müssen daher den Finanzplatz so aufstellen, dass er diese großen Aufgaben meistern kann.

2.1 Ökosystem Finanzplatz

Jetzt denken einige von Ihnen, sie seien ja keine Banker und damit nicht zuständig. Lassen Sie uns daher klären: Wer oder was ist eigentlich der Finanzplatz? Kurz: Der Finanzplatz ist die notwendige Infrastruktur, um die Wirtschaft zu finanzieren. Ein Dienstleister für die Wirtschaft.

Dazu gehören nicht nur Banken oder Börsen. Dazu gehören auch Investoren, Fonds, Versicherer, Datenanbieter, Analysten, Anwälte, Steuerberater, Unternehmensberater und viele mehr. All diese Branchen sind aufgefordert, die Wachstumschancen der Wirtschaft zusammen zu analysieren und zu fördern. Sie müssen an einem Strang ziehen und sich vernetzen.

2.2 Rolle der öffentlichen Hand in Sachen Finanzplatz

Sprechen wir vom Finanzplatz, dann sollten wir das gesamte Ökosystem in Betracht ziehen das Impulse für Wachstum und Finanzierung gibt. Zum Ökosystem gehören auch die Stadt Frankfurt, das Land und der Bund. An vorderster Stelle steht ein klares Bekenntnis zum Finanzplatz Deutschland. 

Ich freue mich, dass Sie, lieber Herr Oberbürgermeister, dieses Bekenntnis bereits deutlich geäußert haben. Sie selbst haben eine Festrede zum Finanzplatz mehr als begrüßt. Es braucht das gemeinsame Verständnis, dass der Finanzplatz eine notwendige Infrastruktur unserer Wirtschaft ist. Ein Dienstleister, den wir brauchen. Konkret muss die öffentliche Hand die Rahmenbedingungen so setzen, dass der Finanzplatz seine Aufgabe wahrnehmen kann. 

Es braucht etwa eine Ausländerbehörde, die schnell handelt. Nur so können wir dringend benötigte internationale Fachkräfte rekrutieren. Wir brauchen einen Bahnhof, an dem Geschäftspartner, Arbeitskräfte oder auch Investoren gerne ankommen. Es braucht eine Willkommenskultur der Stadt, für alle, die in Frankfurt ein Unternehmen gründen möchten, arbeiten möchten oder investieren möchten. 

Hier lohnt sich ein Blick vom Main an die Seine nach Paris. In Paris finden wir eine enge Vernetzung zwischen allen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Finanzsektor. In der französischen Hauptstadt werden Unternehmen, Investoren oder Arbeitnehmer nicht nur herzlich willkommen geheißen, sie werden auch aktiv angeworben. Der Finanzplatz in Paris kann in letzter Zeit große Zuwächse verzeichnen. Das ist für Frankreich, das ebenfalls vor einer großen Transformation steht, eine positive Entwicklung.

Ein wachsender wettbewerbsfähiger Finanzplatz wäre auch für Deutschland wichtig. Das gilt gerade für eine Zeit des Umbruchs, in der wir leben. Vor diesem Hintergrund müssen Politik, Wirtschaft und Finanzsektor an einen Tisch!

3 Potenzial des Finanzplatzes Frankfurt

Wir sehen, dass wir durchaus etwas von Paris lernen können. Man muss aber gar nicht in die Ferne schweifen. Auch in Deutschland gibt es andere Finanzplätze mit vielfältigem Potenzial. Stuttgart etwa setzt auf einen digitalen Finanzstandort. Hamburg untersucht Zukunftsbranchen und versucht, für diese Wege der Finanzierung auszuloten. Auch München, Berlin und Düsseldorf bauen ihre Finanzplätze aus. 

Frankfurt selbst hat natürlich ebenfalls viel Potenzial, auch in Zukunft ein starker Finanzstandort zu sein! Hessen ist der Standort vieler großer Banken und Sparkassen. Mit der Deutsche Börse AG sitzt hier eines der profitabelsten Unternehmen des DAX. Auch viele internationale Banken sind hier am Main ansässig. Die wichtigsten Ratingagenturen haben in Frankfurt große Niederlassungen. Auch etliche spezialisierte Rating- und Datenanbieter sind in Frankfurt angesiedelt. Insgesamt arbeiten mehr als 100.000 Beschäftigte in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet im Finanzdienstleitungssektor.[4]

Aber nun Hand auf’s Herz, was kann Frankfurt denn besonders gut? Frankfurt ist einer der größten Handelsplätze für nachhaltige Finanzierung. Vor allem bei nachhaltigen Anleihen, mit denen zum Beispiel Solar- oder Windparks finanziert werden können. In Frankfurt sind schon jetzt nachhaltige Anleihen in einem Gesamtvolumen von über 200 Milliarden Euro gelistet. 

Es wird in den nächsten Jahrzehnten vor allem darum gehen, gerade emissionsintensive Unternehmen zu transformieren. Es braucht also gerade für nicht-grüne Unternehmen viel Geld. Mit der Expertise hier vor Ort wird Frankfurt eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Strukturwandels spielen.

In Frankfurt gibt es zudem ein einzigartiges Ökosystem aus Regulierern und Aufsehern. Bundesbank, Europäische Zentralbank (EZB) inklusive Bankenaufsicht, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA. Alles hier in Frankfurt und alles schnell zu erreichen – meist sogar mit dem Fahrrad. Vielleicht kommt noch die Europäische Anti-Geldwäschebehörde AMLA dazu, um deren Sitz Frankfurt sich beworben hat. Die kurzen Wege in der Stadt begünstigen eine enge Vernetzung zwischen allen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Finanzsektor.

Sie sehen: Frankfurt hat viel Potenzial! Es gilt, aus diesem Potenzial einen dauerhaften Standortvorteil zu machen. Dafür müssen wir den Finanzstandort gezielt weiter entwickeln und stärken. 

4 Schluss

Meine Damen und Herren,

ein starker Finanzplatz Frankfurt ist entscheidend, um Wachstum zu finanzieren und Wohlstand zu sichern. In Deutschland und Europa. Das ist 2024 wichtiger denn je. Wir müssen den Finanzstandort weiterentwickeln und stärken. Hierfür müssen alle an einen Tisch: Politik, Wirtschaft und Finanzbranche. 

Ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt, dass ich gern optimistisch ins neue Jahr blicke. Ich sehe viele Möglichkeiten, unseren Standort in diesem Jahr weiterzuentwickeln. Das Jahr ist jung. Packen wir die Aufgabe gemeinsam an! Herzlichen Dank.

Fußnoten

  1. Mercer (2023): Quality of Living City Ranking 2023.

  2. Europäische Kommission (2023): Strategic Foresight Report 2023.

  3. Brand, S., Römer, D. und M. Schwarz (2021), 5 Bio. EUR klimafreundlich investieren – eine leistbare Herausforderung, Fokus Volkswirtschaft Nr. 350, KfW Research.

  4. Germany Trade & Invest (2023): Financial Center Frankfurt.