Notenbankfähige Sicherheiten
Allgemeines
Zur Besicherung aller Kreditgeschäfte verlangt das Eurosystem gemäß Artikel 18.1 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) von den Geschäftspartnern die Bereitstellung von notenbankfähigen Sicherheiten in ausreichender Höhe. Um als notenbankfähig eingestuft zu werden, müssen die Vermögenswerte eine Vielzahl von Zulassungskriterien erfüllen.
Die Zulassungskriterien werden in Teil 4 der jeweils aktuellsten Fassung der Leitlinie (EU) 2015/510 der europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) beschrieben. Das Regelwerk wird regelmäßig oder bei Bedarf überprüft und weiterentwickelt.
Die Umsetzung der Geldpolitik im Euroraum fußt auf einem relativ breit gefassten Sicherheitenrahmen, der im gesamten Eurosystem grundsätzlich einheitlich ist. Dabei sind notenbankfähige Sicherheiten im Eurosystem grenzüberschreitend nutzbar. Das Eurosystem behält sich jedoch vor, einzelne Sicherheiten jederzeit von der Besicherung von Kreditgeschäften auszuschließen. Ferner ist die Notenbankfähigkeit von Wertpapieren neben weiteren spezifischen Kriterien Voraussetzung für den Erwerb im Rahmen der geldpolitischen Ankaufprogramme.
Notenbankfähige Sicherheiten lassen sich grundsätzlich in marktfähige und nicht marktfähige Sicherheiten unterteilen, wobei in der Regel keinerlei Unterschiede hinsichtlich Qualität und Eignung für einzelne Kreditoperationen bestehen.
Marktfähige Sicherheiten
Ungedeckte Schuldverschreibungen, gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds, Pfandbriefe) und Asset Backed Securities (ABS) sind Wertpapierarten, die grundsätzlich vom Sicherheitenrahmen erfasst werden. Der zulässige Emittentenkreis für marktfähige Sicherheiten umfasst Zentralbanken der Mitgliedstaaten, öffentliche Stellen, Institutionen mit öffentlichem Förderauftrag, Kreditinstitute, (nicht)finanzielle Kapitalgesellschaften sowie multilaterale Entwicklungsbanken und internationale Organisationen. Der Kreis zulässiger Währungen umfasst neben dem Euro auch alle Euro-Vorgängerwährungen.
Die Feststellung der Notenbankfähigkeit liegt im Verantwortungsbereich der nationalen Zentralbanken des Eurosystems. Die Zuständigkeit für die Notenbankfähigkeitsprüfung richtet sich bei marktfähigen Sicherheiten nach dem Land des Börsenlistings. Die von den nationalen Zentralbanken als notenbankfähig klassifizierten Wertpapiere werden in das Verzeichnis marktfähiger Sicherheiten (sog. „List of eligible marketable assets“) aufgenommen. Dieses wird geschäftstäglich aktualisiert und der Öffentlichkeit ab 18:15 Uhr (MEZ) mit Gültigkeit für den nächsten Geschäftstag auf der Website der EZB zur Verfügung gestellt.
Die tatsächlich durch geldpolitische Geschäftspartner des Eurosystems eingereichten marktfähigen Sicherheiten machen jedoch nur einen kleinen Teil des gesamten Verzeichnisses marktfähiger Sicherheiten aus.
Nicht marktfähige Sicherheiten
Das Eurosystem akzeptiert als nicht marktfähige Sicherheiten unter anderem Kreditforderungen. Unter einer Kreditforderung versteht das Eurosystem eine Verbindlichkeit eines Schuldners gegenüber einem Geschäftspartner. Dies umfasst auch Schuldscheindarlehen. Zum Kreis der zulässigen Schuldner und Garanten gehören nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, öffentliche Stellen sowie multilaterale Entwicklungsbanken und internationale Organisationen. Damit ist der Kreis der potentiell notenbankfähigen Schuldner enger als derjenige zulässiger Emittenten von marktfähigen Sicherheiten. Bei der Deutschen Bundesbank erfolgt die Einreichung und Verwaltung von Kreditforderungen (inkl. Schuldscheindarlehen) über das Kreditforderungsmanagementsystem „MACCs“ (Mobilisation and Administration of Credit Claims).
Risikokontrollmaßnahmen
Bei notenbankfähigen Sicherheiten definiert das Eurosystem zur Risikokontrolle Bewertungsabschläge (sog. Haircuts) und Schwankungsmargen. Die Bewertungsabschläge unterscheiden sich nach Sicherheitenart, Restlaufzeit, Bonität und Verzinsung.
Zur angemessen Bewertung von marktfähigen Sicherheiten betreibt das Eurosystem den Common Eurosystem Pricing Hub (CEPH). Dieser stellt den nationalen Zentralbanken geschäftstäglich einen Preis für jede einzelne notenbankfähige marktfähige Sicherheit bereit, um so eine einheitliche Bewertung im Eurosystem zu ermöglichen. Zur Berechnung des sog. „Final Eurosystem Price“ werden die Marktpreise der Wertpapiere herangezogen und hinsichtlich ihrer Güte beurteilt. Sollten keine verlässlichen Marktpreise vorliegen, so erfolgt die Bewertung mittels eines theoretischen Preises. Dieser wird vom CEPH anhand interner mathematischer Modelle berechnet. Die Beleihungswerte marktfähiger Sicherheiten werden auf Basis des „Final Eurosystem Price“ unter Berücksichtigung der jeweiligen Haircuts ermittelt.
Die Beleihungswerte nicht marktfähiger Sicherheiten werden hingegen auf Basis ihres ausstehenden Nominalwertes unter Berücksichtigung der jeweiligen Haircuts bestimmt.
Notenbankfähige Sicherheiten müssen außerdem den hohen Bonitätsanforderungen genügen, die das Eurosystem in einem einheitlichen Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen (Eurosystem Credit Assessment Framework – ECAF) festgelegt hat. Zur Beurteilung der Bonität notenbankfähiger Sicherheiten stützt sich das Eurosystem auf eine der folgenden Quellen: externe Ratingagenturen, interne Bonitätsanalyseverfahren der nationalen Zentralbanken und genehmigte interne Ratingverfahren der Geschäftspartner. Diese Quellen müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um vom Eurosystem in das ECAF aufgenommen zu werden. Der Bonitätsschwellenwert für notenbankfähige Sicherheiten entspricht grundsätzlich BBB-. Das Eurosystem betrachtet eine Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) von 0,4 % über einen Zeithorizont von einem Jahr als äquivalent zu diesem Schwellenwert. Für ABS gelten mit A- bzw. einer PD von 0,1 % grundsätzlich höhere Anforderungen, die außerdem von mindestens zwei verschiedenen zugelassenen Ratingagenturen bestätigt wurden.
Das Eurosystem ist damit in zweifacher Hinsicht vor Verlusten aus dem Ausfall eines geldpolitischen Geschäftspartners geschützt: Zum einen durch die geforderte finanzielle Solidität des Geschäftspartners selbst und zum anderen durch die Qualität der notenbankfähigen Sicherheiten. Daher kann ein Geschäftspartner des Eurosystems grundsätzlich keine Sicherheiten einreichen, die von ihm selbst, oder von einer mit ihm eng verbundenen Stelle begeben bzw. garantiert worden sind. Ausnahmen gibt es für gedeckte Schuldverschreibungen, die zusätzliche Voraussetzungen erfüllen müssen, sowie für Sicherheiten, bei denen die enge Verbindung zu einer öffentlichen Stelle mit Steuererhebungsrecht besteht. Im Falle der Eigennutzung unterliegen gedeckte Schuldverschreibungen zusätzlichen Bewertungsabschlägen. Eine weitere Besonderheit bilden zudem unbesicherte Schuldtitel, die von Kreditinstituten oder eng mit ihnen verbundenen Stellen begeben wurden (unbesicherte Bankschuldverschreibungen, UBSV). Diese können von einem Geschäftspartner nur in einem begrenzten Umfang als Sicherheit eingereicht werden.
Temporäre Maßnahmen
Bis auf Weiteres sind seit dem Jahr 2008 auch marktfähige Schuldtitel, die in US-Dollar, britischen Pfund oder japanischen Yen denominiert sind und im Euro-Währungsgebiet begeben wurden, notenbankfähig, soweit sie auch die restlichen Zulassungskriterien erfüllen.
Außerdem erfolgte im Jahr 2012 eine temporäre, weiterhin geltende Herabsetzung des Bonitätsschwellenwertes für bestimmte ABS auf „BBB-“.
Seit dem Jahr 2011 können nationale Zentralbanken sog. zusätzliche Kreditforderungen (Additional Credit Claims; ACC) vorübergehend als geldpolitische Sicherheiten akzeptieren, sofern sie gewissen (Mindest-)Bedingungen genügen. Die länderspezifischen Regelungen für ACC tragen dabei den unterschiedlichen Gegebenheiten der jeweiligen Jurisdiktion Rechnung.
Im April 2020 hatte der EZB-Rat als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie einige Regelungen des (temporären) Sicherheitenrahmens vorübergehend gelockert. Die in diesem Zusammenhang beschlossenen Lockerungen wurden mittlerweile in einem mehrstufigen Ansatz größtenteils beendet. Dies erfolgte unter anderem durch die Einführung neukalibrierter Haircuts zum 29. Juni 2023 und die seit dem 6. Mai 2024 gültige Wiedereinführung des Mindesteinreichungsbetrags von 25.000 Euro für Kreditforderungen bei inländischer Nutzung.
Gleichzeitig wurde Anfang Mai 2024 auch die Zulässigkeit einzelner Komponenten der ACC-Rahmen mit nur geringer Auswirkung beendet. Ergänzend hatte der EZB-Rat am 30. November 2023 beschlossen, dass die übrigen Komponenten der ACC-Rahmen, einschließlich der während der Covid 19-Pandemie beschlossenen temporären Erweiterungen, mindestens bis Ende 2024 zulässig bleiben. Künftige Änderungen bei den ACC-Rahmen werden mit ausreichender Vorlaufzeit bekanntgegeben.
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