Gasleitungen in einer Winterlandschaft ©Aleksandr / Adobe Stock

Die Effekte staatlicher Stützungsmaßnahmen wie der Gaspreisbremse Research Brief | 67. Ausgabe – Juli 2024

Die Energiepreise schnellten in Folge des russischen Angriffskriegs in die Höhe. Staatliche Stabilisierungsmaßnahmen wie die Gaspreisbremse sollten die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stützen. Unsere Studie vergleicht die Wirkung zweier fiskalpolitischer Stabilisierungsmaßnahmen für Unternehmen: Subventionen in Form mengenbeschränkter Preisgarantien und produktionsunabhängige direkte Transfers. Es zeigt sich: Die Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen hängt von der Verfügbarkeit des Gutes ab.

Die Energiepreise schnellten in Folge des russischen Angriffskriegs in die Höhe. Staatliche Stabilisierungsmaßnahmen wie die Gaspreisbremse sollten die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stützen. Unsere Studie vergleicht die Wirkung zweier fiskalpolitischer Stabilisierungsmaßnahmen für Unternehmen: Subventionen in Form mengenbeschränkter Preisgarantien und produktionsunabhängige direkte Transfers.

Das Modell

In unserer Studie (Hinterlang et al., 2024) verwenden wir ein multisektorales makroökonomisches Modell mit endogenem Markteintritt und -austritt über einen Wettbewerbskanal. Das Modell bildet die Verflechtungen zwischen 53 Produktionssektoren ab, einschließlich sauberer und brauner Energie. Alle Sektoren verwenden Gas als essenziellen Inputfaktor. Je nach Sektor ist Gas unterschiedlich wichtig. Es wird angenommen, dass Gas vollständig importiert wird. Abgesehen davon ist die Volkswirtschaft geschlossen. Das Modell ist für Deutschland kalibriert. 

Simulationen der fiskalpolitischen Maßnahmen 

Zunächst simulieren wir in unserem Modell in einem Basisszenario einen exogenen Gaspreisanstieg ohne fiskalpolitische Abfederung. Dabei unterstellen wir, dass der Preis vorübergehend ansteigt und nach dem Schock zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehrt. Die grundlegende Produktionsstruktur und die Energieeffizienz ändern sich durch den Schock nicht. Dann simulieren wir die beiden Politikmaßnahmen unter zwei verschiedenen Annahmen bezüglich des Gaspreises und -angebots. Bei beiden Maßnahmen setzt die Höhe der Förderung bei 70 Prozent des vormaligen Gasverbrauchs der jeweiligen Wirtschaftszweige an. Die Höhe lehnt sich an die in Deutschland ergriffene Maßnahme in Form von Transfers an. 

  • Maßnahme 1: Mengenbeschränkte Preisgarantie (Subvention). Jeder Sektor erhält 70 Prozent seines Vorkrisen-Gasverbrauchs zum ursprünglichen Preis. Der übrige Verbrauch muss zum aktuellen Marktpreis erworben werden. Die Maßnahme verringert die durchschnittlichen Produktionskosten (über den subventionierten Gaspreis). Wir unterstellen aus modelltechnischen Gründen, dass die durchschnittlichen Produktionskosten für die Produktionsentscheidung der Unternehmen entscheidungsrelevant sind. Ein Abweichen von dieser Annahme etwa, weil der Grenzpreis bei der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielte, könnte dazu führen, dass die Anreizwirkung beider Maßnahmen enger zusammenliegen. Denn Unternehmen würden die Subvention unterhalb der 70 Prozent-Grenze als Transfer betrachten. 
  • Maßnahme 2: Transfers auf Basis historischer Verbrauchsmengen. Unternehmen erhalten einen branchenspezifischen Transfer. Dieser ist je Unternehmen fix und gleicht die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem ursprünglichen Preis für 70 Prozent des Vorkrisen-Gasverbrauchs aus. Dies hat keinen direkten Einfluss auf die Produktionskosten und somit auch nicht auf die Produktionsentscheidung, die vom Gaspreis abhängt.

Starker Preisanstieg im Basisszenario

Abbildung 1 zeigt die Pfade des Basisszenarios (petrol) und die Effekte der Maßnahmen (Transfer grau, Preisgarantie orange) bei variabler Gasmenge. Im Basisszenario steigt der Importpreis für Gas steil an. Die Nachfrage nach Gas sinkt erheblich (weitgehend ohne Einfluss auf den Gaspreis). Konsum, Investitionen und die gesamtwirtschaftliche Produktion fallen. Einbußen erleiden besonders die Branchen, die viel Energie verbrauchen.

Abbildung 1: Pfade ausgewählter Variablen im Basisszenario und Effekte der Maßnahmen bei gegebenem Gaspreisanstieg und variabler Menge (Annahme 1)
Abbildung 1: Pfade ausgewählter Variablen im Basisszenario und Effekte der Maßnahmen bei gegebenem Gaspreisanstieg und variabler Menge (Annahme 1)

Preisgarantie stabilisiert stärker im Fall fester Bezugspreise

In diesem Fall unterstellen wir, dass der Gaspreis (nach dem Schock) nicht auf die Stärke der Gasnachfrage im Inland reagiert, die Menge jedoch variabel ist (elastisches Angebot). 

Die Subvention der Importpreise für Gas führt dazu, dass die Gasnachfrage und die Produktion im Vergleich zum Basisszenario stark steigen (Abbildung 1), da die Maßnahme die durchschnittlichen Kosten für den Gasverbrauch senkt. Diese sind unter der oben genannten Annahme entscheidend für das Unternehmenskalkül. Der Anreiz, Gas zu sparen, sinkt. Konsum, Investitionen sowie die Produktion werden deutlich stimuliert. Die Maßnahme finanziert sich dadurch zum Teil selbst. 

Direkte Transfers an Unternehmen haben dagegen nur geringe Auswirkungen auf die Produktion und die Gasnachfrage im Vergleich zum Basisszenario. Zwar verbleiben aufgrund der Transfers mehr Unternehmen im Sektor (da es weniger Konkurse gibt), was dort die Preisaufschläge und Preise drückt. Da die Hilfsmaßnahme allerdings nicht am Gaspreis selbst ansetzen, haben sie einen vergleichsweise geringen Effekt auf die Produktion. Die Gasnachfrage steigt nur leicht an, da der Anreiz zum Gassparen weitgehend erhalten bleibt.

Transfers stabilisieren stärker im Fall fester Liefermengen

In diesem Fall unterstellen wir, dass das Gasangebot (unelastisches Angebot) unveränderlich ist und der Gaspreis sich anpassen muss. 

Abbildung 2 bebildert die Effekte, wenn das Gasangebot nicht auf die Nachfrage reagiert. Die Subventionen treiben in diesem Fall den Gaspreis weiter in die Höhe, weil der Sparanreiz stark gemindert wird. Der starke Preisanstieg bremst die Produktion in energieintensiven Branchen weiter. Die fiskalische Stützung verpufft in einem Preiseffekt (der dem Gas liefernden Ausland zu Gute kommt). Dabei steigen die staatlichen Kosten für Subventionen immens an, was sich wiederum negativ auf die Budgets der privaten Haushalte und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auswirkt. Direkte Transfers haben diese Probleme nicht. Der Sparanreiz bleibt erhalten, und der Gaspreis wird nicht weiter in die Höhe getrieben. Die Produktion wird wie im ersten Szenario weiterhin leicht gefördert, weil Konkurse vermieden werden. Daher sind in einem solchen Szenario direkte Transfers an Unternehmen die wirtschaftlich sinnvollere Politikmaßnahme.

Abbildung 2: Pfade ausgewählter Variablen im Basisszenario und Effekte der Maßnahmen bei gegebener Gasmenge und variablem Preis (Annahme 2)
Abbildung 2: Pfade ausgewählter Variablen im Basisszenario und Effekte der Maßnahmen bei gegebener Gasmenge und variablem Preis (Annahme 2)

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirkung unterschiedlich ausgestalteter Stabilisierungsmaßnahmen entscheidend von den Rahmenbedingungen abhängen, in unserem Fall primär von der Verfügbarkeit von Erdgas. Die Erkenntnisse können jedoch auch für andere wichtige Importgüter wie Seltene Erden oder Mikrochips relevant sein. Subventionen der Produktionskosten wirken bei reinen Preisschocks besser, hingegen sind direkte Transfers an Unternehmen bei tatsächlicher Knappheit vorzuziehen, weil sie die Sparanreize erhalten. Zudem kommt es auf die Ausgestaltung der Maßnahmen an. Bei mengenbeschränkten Preisgarantien können Sparanreize erhalten werden, wenn die subventionierte Menge hinreichend niedrig angesetzt wird. Auch können sich die Wirkungen der Instrumente je nach Ausgestaltung und Umständen ähneln. Die politische Entscheidung in Deutschland, Transfers an Unternehmen auszuzahlen, erscheint vor dem Hintergrund der damals unsicheren Gaslieferungen nachvollziehbar.

Haftungsausschluss 
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Referenzen

  • Hinterlang, N., M. Jäger, N. Stähler und J. Strobel (2024). On curbing the rise in energy prices: An examination of different mitigation approaches. Deutsche Bundesbank. Diskussionspapier 09/2024.

Die Autoren 
Natascha Hinterlang
Ökonomin, Zentralbereich Volkswirtschaft, Deutsche Bundesbank
Marius Jäger
Ökonomin, Zentralbereich Volkswirtschaft, Deutsche Bundesbank
Nikolai Stähler
Ökonom, Zentralbereich Volkswirtschaft, Deutsche Bundesbank
Johannes Strobel
Ökonom, Zentralbereich Volkswirtschaft, Deutsche Bundesbank

Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum

Veröffentlichungen

  • What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
  • Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.

Veranstaltungen

Download

273 KB, PDF