Transformation und Wettbewerbsfähigkeit: Der Beitrag der Berichterstattung Rede bei der Festveranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) e.V.
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren,
25 Jahre DRSC. Das ist ein stolzes Jubiläum.
Ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen, Erfolge zu würdigen und sich für die Herausforderungen der nächsten 25 Jahre zu wappnen – und diese werden groß sein.
Seit 25 Jahren wirkt das DRSC an der Weiterentwicklung von Rechnungslegungsstandards nicht nur in Deutschland mit. Das Deutsche Rechnungslegung Standards Committee – und das kann man mit Stolz und Recht behaupten – ist eine etablierte und wichtige Institution in Deutschland.
Vor zwei Jahren gab es eine Untersuchung der TU Dresden. Diese zeigt, dass das DRSC der aktivste nationale Standardsetzer in Europa ist, was die Teilnahme an Konsultationen angeht.[1] Ich denke, das ist einen Applaus wert!
Rechnungslegung und Offenlegungspflichten sind so viel mehr als nur Zahlen. Sie sind einzigartige Instrumente, um Informationen über Unternehmen zu bekommen und Transparenz herzustellen. Dies wird in Zukunft für Unternehmen und Investoren noch an Bedeutung gewinnen.
Stichwort Zukunft: So ein Jubiläum ist auch immer Gelegenheit, den Blick nach vorne zu wenden. Genau das möchte ich heute mit Ihnen tun.
Die deutsche Wirtschaft steht vor einem historischen Strukturwandel:
- ein neues geopolitisches Umfeld,
- eine umfassende Digitalisierung,
- eine Dekarbonisierung der Wirtschaft – und
- ein umfassender demographischer Wandel.
All das stellt uns vor große Herausforderungen, denn es wird sich vieles ändern. Doch Wandel ist auch immer eine Chance.
Viele Unternehmen, große und kleine, müssen sich angesichts dieser Herausforderungen neu erfinden.
Einen Wandel wird es auch bei der Berichterstattung geben.
Vor diesem Hintergrund möchte ich heute zwei Dinge ansprechen:
- Lassen Sie uns darüber reden, welche Rolle die Berichterstattung für die Transformation der Wirtschaft spielt.
- Was gilt es künftig bei den Standards zu beachten?
2 Welche Rolle spielt die Berichterstattung bei der Transformation der Wirtschaft?
Berichterstattung ist weit mehr als nur eine „lästige“ Pflicht. Es geht vielmehr darum, allen Stakeholdern Informationen, Daten an die Hand zu geben, allen voran Investoren.
Nun werden viele unter Ihnen sagen: Darum ging es ja schon immer.
Das stimmt. Aber: Investoren werden in den nächsten Jahren sehr viel genauer hinschauen und sich für ganz andere Daten interessieren.
Investoren werden wissen wollen, ob ein Unternehmen in der Lage sein wird, bei all den genannten Herausforderungen zu bestehen.
Und die Herausforderungen sind gewaltig. Das gilt auch und vor allem in Sachen Nachhaltigkeit. Denn sowohl der Klimawandel als auch ein dysfunktionales Ökosystem können Geschäftsmodelle von Unternehmen empfindlich treffen.
Das physische Risiken wie Hitzewellen, Fluten, Stürme oder Waldbrände Unternehmen treffen, sehen wir bereits. Hitze und Wasserknappheit werden nicht nur die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie hart treffen. Sie wird auch den Tourismus, den Energiesektor, Produktionsstätten diverser Güter und viele mehr vor Herausforderungen stellen. Eine geschädigte Insekten- und Pflanzenwelt wird nicht nur die Landwirtschaft treffen, sondern etwa auch die Pharmabranche.
Investoren werden genau prüfen, wie gut die Unternehmen darauf vorbereitet sind. Dazu braucht es Transparenz, dazu braucht es Daten in der Berichterstattung. Auch rechtliche Rahmenbedingungen und CO2-Preise werden unternehmerische Risiken und Chancen verändern. Hier werden Investoren ebenfalls genau wissen müssen, ob ein Unternehmen auf solche rechtlichen oder preislichen Veränderungen vorbereitet ist.
Wir sehen also, dass auch die Berichterstattung in Sachen Nachhaltigkeit keine lästige Pflicht ist. Im Gegenteil. Sie bringt zwei wesentliche Vorteile:
- Sie zwingt Unternehmen, sich strategisch mit den Herausforderungen und Chancen der Transformation auseinanderzusetzen.
- Investoren erhalten wertvolle Informationen darüber, ob und wie Unternehmen für die Transformation gerüstet sind.
Dazu eine Zahl: 2022 berücksichtigten 83 Prozent der institutionellen Investoren in Deutschland Nachhaltigkeitskriterien. Im Vergleich zu 65 Prozent im Jahr 2018.[2]
Vielfältige Anreize also für Unternehmen, nachhaltigkeitsbezogene Informationen offenzulegen!
3 Was gilt es bei den Standards zu beachten?
Lassen Sie uns nun noch einen Blick darauf werfen, was Standardsetter zu beachten haben. Worauf kommt es also an?
Olivier Schwab vom World Economic Forum hat dazu eine schöne Metapher gefunden.[3] Erinnern Sie sich noch daran, wie als Kind Ihre Größe regelmäßig gemessen wurde? Ein Bleistiftstrich an der Wand oder am Türrahmen, der immer ein Stück nach oben gewandert ist. Sie konnten sehen, wie viel Sie seit dem letzten Mal gewachsen sind. Sie konnten sich auch mit den Mitschülern oder Austauschschülern aus fernen Ländern vergleichen. Und warum? Weil Sie einen standardisierten Maßstab hatten. Zum Beispiel einen Zollstock. Wenn ich drei Zentimeter gewachsen bin, zeigt jeder beliebige Zollstock das an. In Deutschland genauso wie in der Schweiz oder anderswo.
Meine Damen und Herren, auch für die Berichterstattung braucht es eine Art Zollstock. Mit anderen Worten: Einheitliche Standards. Sie sorgen für Vergleichbarkeit und machen Fortschritt überhaupt messbar.
Für die Finanzberichterstattung im engeren Sinne gibt es das bereits. Etwa die International Financial Reporting Standards (IFRS). Das sind einheitliche Berichtsstandards für Unternehmen, auch auf internationaler Ebene.
Für die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit liegt noch ein Stück des Weges vor uns.
Die EU ist Vorreiter in diesem Bereich. Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD, wird es für deutlich mehr Unternehmen in Europa eine Berichtspflicht gelten. Allein aus Deutschland werden voraussichtlich etwa 15.000 Unternehmen neu dazukommen.[4]
Kleine Unternehmen werden von der Berichtspflicht nicht in vollem Umfang erfasst. Und das ist auch gut so. Insgesamt ist für alle Unternehmen wichtig, dass die Berichtspflichten auch umsetzbar und tragbar sind.
Damit kommen wir zu einem wichtigen Aspekt:
Viele Unternehmen in Deutschland und Europa sind global tätig. Sie benötigen weltweit anerkannte Standards. Daran arbeitet das International Sustainability Standards Board (ISSB) gerade. Anfang vergangener Woche hat das ISSB die ersten beiden Standards veröffentlicht.
Eine möglichst große Schnittmenge zwischen Standards auf europäischer und internationaler Ebene ist wünschenswert. Die gegenseitige Anerkennung oder Interoperabilität der Standards sind gerade für Deutschland als Exportnation wichtig.
4 Blick nach vorn
Lassen Sie mich zusammenfassen.
Gute und glaubwürdige Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft Transparenz und unterstützt die Transformation. Und damit die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Denn Unternehmen stellen ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand. Und Banken und Investoren erhalten die nötigen Informationen, um die Transformation zu finanzieren.
Gleichzeitig brauchen gerade international tätige Unternehmen weltweit anerkannte oder operable Standards. Das DRSC leistet hier – Sie leisten hier – sehr wichtige Arbeit.
Bleiben Sie dran. Auch die nächsten 25 Jahre. Es gibt genug zu tun!
Fußnoten:
- Dobler, Michael & Gäumann, Martin (2021): Parallele Teilnahme an Konsultationen des IASB und der EFRAG: Eine empirische Analyse von Stellungnahmen des DRSC. In Andreas Dutzi, Marius Gros, Karsten Nowak & Bernd Roese (Hrsg.), Corporate Governance, Rechenschaft und Abschlussprüfung: Festschrift für Hans-Joachim Böcking zum 65. Geburtstag (S. 473–481). C.H. Beck.
- Union Investment: Mehr Großanleger denn je investieren nachhaltig, 15. Juni 2022
- In Anlehnung an Olivier Schwab, Managing Director, World Economic Forum:
Do you remember measuring your height as a child? That pencil mark on the wall or chart that progressively marched upwards, maybe with a date attached. You could measure your progress because you had a tool, in this case a tape measure, and a standard, either feet and inches or centimetres and metres. Measuring sustainability is no different, and for companies, it’s this type of yardstick that is needed not just to measure and compare progress, but also to hold themselves, and others accountable in meeting their climate-related targets.
- PricewaterhouseCoopers: Umfrage zur CSRD-Umsetzung bei Finanzdienstleistern, 23. März 2023.