Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen der öffentlichen Hand Rede beim Fachkongress für die öffentliche Hand Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB)

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute hier in Erfurt beim Fachkongress für die öffentliche Hand vom Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands zu Ihnen zu sprechen.

Wir haben die Natur von unseren Eltern geerbt. Wir haben sie aber auch von unseren Kindern geliehen. Mit diesen Worten hat der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Weihnachtsansprache 1986 – dem Jahr der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – unsere Verantwortung für kommende Generationen zusammengefasst.[1] Ich finde, es gibt kaum ein treffenderes Plädoyer für Nachhaltigkeit.

Der Begriff und die Idee der Nachhaltigkeit wurden bereits im 18. Jahrhundert in der Forstwirtschaft geprägt: Es soll nur so viel Wald gerodet werden, wie auch nachwachsen kann. Nachhaltigkeit beschränkt sich aber nicht nur auf den Umwelt- und Naturschutz, sondern beschäftigt sich auch mit den Themenfeldern Ökologie, Ökonomie und Soziales.[2] Und es ist auch eines der wichtigsten Themen im politischen Diskurs – etwa, wenn wir über die Nachhaltigkeit öffentlicher Finanzen, aber auch den Übergang zur CO2-Neutralität unserer Wirtschaft und Gesellschaft sprechen.

2 Bedeutung nachhaltiger öffentlicher Infrastruktur

Um den Herausforderungen durch den globalen Klimawandel zu begegnen, haben sich 2015 im Pariser Klimaabkommen 195 Staaten auf den bis dahin umfassendsten völkerrechtlichen Vertrag zum Klimaschutz geeinigt und konkrete Ziele auf dem Weg dorthin festgelegt. Die Europäische Union (EU) hat das politische Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, mit der Verordnung über das Europäische Klimagesetz rechtlich verankert. In Deutschland soll Klimaneutralität sogar schon bis 2045 erreicht werden.

Dafür müssen alle Bereiche, sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft, nachhaltiger werden. Ganz besonders trifft dies auch auf die öffentliche Infrastruktur zu. Denn öffentliche Infrastruktur ist ein wesentliches Element der wirtschaftlichen Entwicklung, des gesellschaftlichen Wohlstands und der Umweltverantwortung.

Doch warum ist eine nachhaltige öffentliche Infrastruktur so essenziell? In der Vergangenheit haben wir bei der öffentlichen Infrastruktur – so wichtig sie auch für unsere Entwicklung war – oftmals Umwelt- und Sozialkosten nicht hinreichend berücksichtigt. Ein Großteil unserer Straßen, Energienetze, Transportsysteme und öffentlichen Gebäude wurde vor Jahrzehnten entworfen – ohne den Anspruch, dem Klimawandel, knappen Ressourcen oder allgemeinen Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung zu tragen.

Heute sind unsere Ansprüche an öffentliche Infrastruktur umfassender und sollen insbesondere auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen. Damit das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden kann, benötigt es Investitionen: Investitionen in saubere Energie, emissionsarmen Verkehr, intelligente Städte und eine klimaresiliente Infrastruktur. Klar ist aber auch: Die Transformation erfordert erhebliche finanzielle Ressourcen.

3 Finanzierung und die Rolle öffentlicher Banken

Laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind Investitionen in Höhe von rund 5 Billionen Euro erforderlich, um in Deutschland die bis 2045 angestrebte Klimaneutralität zu erreichen.[3] Welchen Beitrag können öffentliche Banken bei dieser Aufgabe leisten? Ich sehe hier verschiedene Möglichkeiten.

Zum einen können öffentliche Banken Kapital für grüne und nachhaltige Projekte mobilisieren:

  • Öffentliche Banken können die Finanzierung von Projekten priorisieren, die mit Nachhaltigkeitszielen übereinstimmen, wie erneuerbare Energien, energieeffizientes Wohnen, grüne Mobilität und Initiativen in Richtung Kreislaufwirtschaft.

  • Dadurch können sie sicherstellen, dass Kapitalströme in Projekte fließen, die zur langfristigen Nachhaltigkeit beitragen.

Öffentliche Banken können darüber hinaus aber auch als Katalysator für private Investitionen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur wirken:

  • So können öffentliche Banken Finanzinstrumente entwickeln, die auf nachhaltige Projekte zugeschnitten sind.

  • Grüne Anleihen, Nachhaltigkeitsdarlehen und Impact-Finanzierungsmechanismen sind nur einige Beispiele dafür, wie öffentliche Banken das notwendige Kapital mobilisieren können

  • Das Wachstum des Marktes für grüne Anleihen in den vergangenen Jahren ist ein klarer Indikator dafür, dass auch private Investoren zunehmend nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten suchen.

Auch durch eine Risikominderung und das Angebot von Mischfinanzierungslösungen können öffentliche Banken einen wichtigen Beitrag leisten:

  • Es ist bekannt, dass private Investoren oftmals zögern, sich an langfristigen, komplexen Projekten zu beteiligen.

  • Das liegt unter anderem daran, dass die Renditen nicht garantiert beziehungsweise mit großer Unsicherheit behaftet sind.

  • Dies trifft auf viele nachhaltige Infrastrukturprojekte zu, insbesondere solche, die neue Technologien oder langfristige Entwicklungszeiträume umfassen.

  • Durch Mischfinanzierungslösungen, Garantien oder First-Loss-Tranchen können öffentliche Banken das Risiko für private Investoren mindern und auf diese Weise Investitionen mobilisieren.

Darüber hinaus erfordert die Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Wissen und Expertise. Auch hier können öffentliche Banken wertvolle Unterstützung bieten. Etwa, indem sie Kommunen, öffentliche Institutionen und private Unternehmen dabei beraten, Projekte so zu strukturieren, dass sie Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und Zugang zu Finanzierungen erhalten.

4 Politische und regulatorische Rahmenbedingungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

es kommt jedoch nicht nur den öffentlichen Banken eine wichtige Rolle bei der Finanzierung nachhaltiger öffentlicher Infrastruktur zu. Auch die Politik und die Regulierungsbehörden spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es darum geht, private Investitionen zu mobilisieren.

Bedauerlicherweise sind wir in Deutschland noch weit von dem notwendigen Investitionsschub entfernt, der für eine nachhaltige Transformation erforderlich ist. Seit 2022 sind die Direktinvestitionszuflüsse nach Deutschland sogar deutlich zurückgegangen. Bereits seit Ende 2021 wurde kaum noch zusätzliches Beteiligungskapital aus anderen Ländern des Euroraums bereitgestellt. Zuflüsse aus Drittländern sind zwar noch positiv, haben sich aber im Vergleich zu den Jahren 2019 bis 2021 stark abgeflacht.[4]

Was also hält Unternehmen davon ab, verstärkt in Deutschland zu investieren? In unseren regelmäßig durchgeführten Unternehmensumfragen finden sich dazu Antworten. So begründeten von den Unternehmen, die 2023 ihre Investitionstätigkeit reduzierten, mehr als die Hälfte dies mit dem schlechten gesamtwirtschaftlichen Umfeld.[5]

Aber auch strukturelle Probleme spielten eine wichtige Rolle. Hier werden insbesondere hohe Lohn- und Energiekosten, eine erhebliche Steuer- und Abgabenlast, Unsicherheiten im regulatorischen Umfeld sowie der Mangel an Fachkräften genannt, die die Unternehmen daran hindern, am Standort Deutschland zu investieren.

Gleichzeitig fehlen an vielen Stellen weiterhin die Anreize für nachhaltige Investitionen. Das liegt unter anderem daran, dass die Kosten der Kohlendioxidverschmutzung sowie die mittel- und langfristigen Risiken aus dem Klimawandel auf den Märkten noch nicht vollumfänglich eingepreist werden. Auf Ebene der EU sowie ihrer Mitgliedsstaaten dürften Finanz-Taxonomien, die eine klare Definition für nachhaltige Investitionen liefern, CO2-Bepreisungsmechanismen und Klimaberichtspflichten zu einschneidenden Veränderungen für die Finanzlandschaft führen. Diese Initiativen helfen Investoren und Finanzinstituten, nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten zu identifizieren und zu finanzieren.

Auch die Deutsche Bundesbank setzt sich im Rahmen ihres Mandats für eine nachhaltige Entwicklung des Finanzsystems ein. So ist derzeit die Bundesbank-Vizepräsidentin Dr. Sabine Mauderer Vorsitzende im „Network for Greening the Financial System(NGFS). Dieses weltweite Netzwerk von 141 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sowie 21 Beobachtern macht sich für ein nachhaltigeres Finanzsystem stark.

Öffentliche Banken sollten bereit sein, ihre Aktivitäten an diese regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen. Dies ist nicht nur wichtig, um Compliance-Anforderungen zu erfüllen. Es bietet auch die Chance, ihre Position als Vorreiter und Vorbilder im Bereich der nachhaltigen Finanzen zu stärken. Durch die Anpassung können sie neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen und das Vertrauen der Stakeholder stärken.

5 Europäische Kapitalmarktunion

Um in den kommenden Jahrzehnten den Übergang Europas hin zur CO2-Neutralität zu bewerkstelligen, muss nicht nur die öffentliche Infrastruktur nachhaltig werden, sondern die gesamte europäische Wirtschaft. Bei dieser Dekarbonisierung kann die – sowieso dringend notwendige – digitale Transformation einen wichtigen Beitrag leisten.

Wie wichtig Dekarbonisierung und digitale Transformation sind, das betont auch der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in seinem jüngst veröffentlichten Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere die Digitalisierung, die in den vergangenen Jahren unser Leben in beispiellosem Tempo verändert hat, wurde laut Draghi von Europa weitgehend verpasst, ebenso wie die damit verbundenen Produktivitätsgewinne. Hinzu kommen Herausforderungen durch geopolitische Spannungen und den demografischen Wandel.

Um alle Herausforderungen zu adressieren, benötigt die europäische Wirtschaft Kapital – viel Kapital. Die Europäische Kommission schätzt den zusätzlichen Investitionsbedarf auf Hunderte Milliarden Euro – und das pro Jahr. [6] Eine enorme Summe. Klar ist: Auch, wenn öffentliche Banken hier ihren Beitrag leisten werden – der Großteil des Kapitals wird von den Privaten zu stemmen sein.

Banken spielen beim Zugang für Fremdkapital in Deutschland eine sehr wichtige Rolle, insbesondere für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen. Die Finanzierung über Kapitalmärkte ist in Deutschland und der EU nach wie vor deutlich schwächer aufgestellt als beispielsweise in den USA. Die Transformation benötigt jedoch ein breites und spezialisiertes Finanzierungsangebot.

Umso wichtiger ist aus meiner Sicht ein einheitlicher europäischer Kapitalmarkt. Denn ein tiefer, liquider Kapitalmarkt erleichtert es, privates Kapital zu mobilisieren. Gerade kleine und mittlere Unternehmen könnten von einem besseren Zugang zu Eigen- und Risikokapital profitieren. Dies ist besonders wichtig, damit junge innovative Unternehmen bis zur Marktreife heranwachsen können und nicht – wie zuletzt häufig – in attraktivere Standorte im Ausland abwandern. 2020 wurde in den USA zwanzigmal mehr Risikokapital investiert als im Euroraum.[7] Ohne mutige Investitionen in Zukunftstechnologien droht Europa den Anschluss zu verlieren, dabei steckt gerade hier großes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum.

Ein tieferer und liquiderer europäischer Kapitalmarkt könnte nicht nur die Transformation unterstützen, sondern auch zu einer höheren Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems beitragen. Auch Banken können von der Kapitalmarktunion profitieren. Die Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts könnte es Banken ermöglichen, Teile ihres Kreditportfolios an den Kapitalmarkt abzugeben. Das entlastet ihre Bilanzen und Kreditrisiken werden auf andere Marktteilnehmer übertragen. So könnte Raum für zusätzliche Kredite geschaffen werden, etwa um die Transformation zu finanzieren.

Die Bundesbank setzt sich für einen transparenten und qualitativ hochwertigen Verbriefungsmarkt ein. Bereits 2015 hat die Europäische Kommission einen ersten Aktionsplan zur Förderung der Kapitalmarktunion auf den Weg gebracht, um durch den Abbau regulatorischer Hürden mehr privates Kapital zu mobilisieren und Anreize für grenzüberschreitende Investitionen zu schaffen. Zudem hat sie 2020 einen weiteren Aktionsplan verabschiedet mit dem Ziel, dass sich Europa zu einem echten Finanzbinnenmarkt entwickelt.

Einige Maßnahmen wurden zum Ende der vergangenen Legislaturperiode des EU-Parlaments auch bereits umgesetzt. Um es mit den Worten des chinesischen Philosophen Lao Tse zu sagen: Eine Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Die ersten Schritte auf dem Weg sind getan. Nun ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die EU-Kommission, das EU-Parlament und die Mitgliedsländer diese Reise auch gemeinsam fortsetzen, um dem Ziel einer echten Kapitalmarktunion näher zu kommen.

6 Schluss

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe heute viel über die Notwendigkeit und die Herausforderungen der ökologischen Transformation sowie über potenzielle Kosten von Investitionen und über deren Finanzierung gesprochen. Klar ist: Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist immens. Noch bedeutender aber ist, was wir davon haben. Denn wir schaffen eine nachhaltige öffentliche Infrastruktur nicht zum Selbstzweck.

Wir möchten dazu beitragen, unsere Klimaziele zu erreichen. Das ist zwingend erforderlich, um den Klimawandel in erträglichem Rahmen zu halten. Es geht dabei auch darum, widerstandsfähige Volkswirtschaften zu schaffen und eine auch in Zukunft hohe Lebensqualität für alle Bürger zu gewährleisten. Nicht zuletzt bringt die Transformation unserer Infrastruktur und Wirtschaft auch ein großes Wachstumspotenzial mit sich.

Es wäre falsch, die anfallenden Ausgaben als einmalige Konsumausgaben abzutun, denn aus meiner Sicht handelt es sich um notwendige Zukunftsinvestitionen. Der Abschied von der fossilen Wirtschaftswelt ist die Wachstumsgeschichte des 21. Jahrhunderts, hat es der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz einmal treffend auf den Punkt gebracht.

Die öffentlichen Banken spielen in dieser Geschichte eine Rolle, die weit über die eines traditionellen Finanziers hinausgeht. Sie sind Hüter des Gemeinwohls, Förderer von Innovation, Katalysatoren für nachhaltige Entwicklung und damit Schlüsselpartner dieser Transformation.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnoten:

  1. Weihnachtsansprache 1986 von Bundespräsident Richard von Weizsäcker | Der Bundespräsident
  2. Was ist Nachhaltigkeit? | Deutscher Bundestag
  3. KfW Research: Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts erfordert Investitionen von 5 Billionen EUR | KfW
  4. Internationale Verflechtung Deutschlands über Direktinvestitionen: aktuelle Entwicklungen | Deutsche Bundesbank
  5. Monatsbericht – Mai 2024: Inländische Investitionshemmnisse für deutsche Unternehmen | Deutsche Bundesbank
  6. 2023 Strategic Foresight Report | European Commission
  7. 2023 Strategic Foresight Report | European Commission
  8. Financial Integration and Structure in the Euro Area, April 2022 | European Central Bank