Begrüßungsworte bei der Eröffnung der Kunstausstellung Parallel Beginnings
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Begrüßung
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank, dass Sie uns beide eingeladen haben – die Kunstsammlung der Bundesbank und mich! Ich freue mich sehr über den lebhaften Austausch zwischen der Harvard University und der Bundesbank. Im vergangenen Jahr hielt Benjamin Friedman einige sehr interessante Vorträge bei der Bundesbank. Ich selbst hatte mitunter die Gelegenheit, hier bei Ihnen an einem inspirierenden Gedankenaustausch teilzunehmen. Und Hans-Helmut Kotz, ehemaliges Vorstandsmitglied der Bundesbank, fungiert als beständige Brücke zwischen unseren beiden Institutionen, denn er hat seit 15 Jahren eine Gastprofessur für Ökonomie an der Harvard University inne.
Bislang haben wir uns zu Wirtschaftsthemen ausgetauscht. Nun wird dieser Austausch um das Thema Kunst erweitert: 21 Werke aus der Kunstsammlung der Bundesbank werden hier ausgestellt. Sie treten in einen Dialog mit Arbeiten aus der Kunstsammlung des Center for European Studies. So werden zum Beispiel zahlreiche Werke von Ida Kerkovius präsentiert. Mich beeindrucken insbesondere die leuchtenden und kontrastreichen Farben dieser Bilder. Vielleicht sind sie Ihnen im Foyer schon aufgefallen. Sie ziehen sicherlich viele Betrachterinnen und Betrachter in ihren Bann.
Ich finde es bemerkenswert, dass eine deutsche Künstlerin wie Ida Kerkovius in der Kunstsammlung des Center for European Studies vertreten ist. Das ist Guido Goldman zu verdanken, dem Mitgründer des Center for European Studies und entscheidenden Motor hinter dessen Kunstsammlung. In seiner Biografie wird Guido Goldman als „Amerikas Mr. Germany“ bezeichnet. Er fühlte sich dem Ausbau der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland besonders verpflichtet. Zusammen mit Bundeskanzler Willy Brandt gründete er Anfang der 1970er-Jahre die Denkfabrik „German Marshall Fund“. Sie sollte sich den politischen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland widmen.
Angesichts dieses besonderen Interesses von Guido Goldman an Deutschland überrascht es dann doch nicht, dass deutsche Künstler und Künstlerinnen wie Bernard Schultze und Ida Kerkovius so prominent in der Kunstsammlung des Center for European Studies vertreten sind. Werke dieser beiden Kunstschaffenden gehörten auch zu den ersten Ankäufen für die Bundesbank-Sammlung. Dies bot nun eine wunderbare Grundlage für das gemeinsame Kunstprojekt mit dem Titel „Parallel Beginnings“. Was aber sollten Sie über die Kunstsammlung der Bundesbank wissen?
2 Die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank
Ihr Grundstein wurde schon vor rund 70 Jahren gelegt, in der Mitte der 1950er-Jahre. Damals war die Bank deutscher Länder die Zentralbank der westlichen Besatzungszonen Deutschlands. Die Besatzungsmächte USA und Vereinigtes Königreich hatten sie 1948 mit dem Auftrag errichtet, die neue Währung zu sichern, die D-Mark. Das war noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, des demokratischen Staates im Westen Deutschlands, im Jahr 1949. 1957 ging der Stabilitätsauftrag für die D-Mark auf die neu errichtete Deutsche Bundesbank über.
Engagierte Führungspersönlichkeiten beider Institutionen setzten sich dafür ein, dass die Zentralbank als wichtige öffentliche Institution dazu beitrug, in der jungen demokratischen Bundesrepublik Kunst und Kultur zu fördern. Sie wollten zum einen Künstlerinnen und Künstler durch Ankäufe direkt unterstützen. Zum anderen wollten sie den Beschäftigten der Bundesbank die Möglichkeit geben, am Arbeitsplatz zeitgenössischer Kunst zu begegnen. Das intensive Engagement für Kunst und Kultur wird nicht zuletzt durch den historischen Zusammenhang nachvollziehbar. Unter der nationalsozialistischen Diktatur hatten Künstlerinnen und Künstler, die sich den modernen Kunstrichtungen verschrieben hatten, nicht mehr öffentlich ausstellen können. Sie verloren ihre Professuren an den Kunsthochschulen. Viele emigrierten. Ihre Werke wurden aus Museen entfernt und als „entartet“ verfemt.
Im Nachkriegsdeutschland gab es daraufhin schon wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, des Nationalsozialismus und nach der Shoah ein großes Interesse an Kunst und Kultur. Dieser breit angelegte kulturelle Aufbruch ging mit dem Wunsch nach einem allgemeinen Neuanfang einher. Die deutschen Künstlerinnen und Künstler suchten den Anschluss an die Kunstbewegungen in Europa und den USA. Kunst sollte eine Brücke schlagen. Sie stand für Freiheit und die Teilhabe an universalen Werten des Westens. Darüber hinaus hoffte man, dass die junge Generation im Umgang mit den neuen, ungewohnten Kunstwerken Offenheit und demokratische Verhaltensweisen üben könnte. Vor diesem Hintergrund bildete sich in Deutschland die informelle Kunst. Die Künstlerinnen und Künstler suchten den intensiven Austausch mit dem französischen Informel und dem US-amerikanischen abstrakten Expressionismus. In ihren Werken wählten sie eine neue Formensprache – sie war nicht gegenständlich. Es gab keinen Vorder- und Hintergrund, kein Zentrum. Stattdessen stand der Prozess des Malens im Mittelpunkt. So nutzte zum Beispiel Karl Otto Götz breite Malerpinsel, um mit wenigen Schwüngen seine dynamischen Kompositionen zu schaffen. Ein wichtiger Meilenstein für diese Entwicklungen war die Ausstellung „Neuexpressionisten“ in der Zimmergalerie Franck. Sie fand 1952 in Frankfurt statt – am Standort der Bank deutscher Länder. In der sehr kleinen, aber bis heute bekannten Ausstellung waren auch die hier vertretenen Künstler Karl Otto Götz, Heinz Kreutz und Bernard Schultze dabei.
Die Bundesbank erwarb solche avantgardistischen Werke aus den Galerien oder auch direkt aus dem Atelier. Die für die Sammlung verantwortlichen Führungskräfte verfolgten kenntnisreich die aktuellen Entwicklungen und pflegten den persönlichen Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern sowie Galeristinnen und Galeristen. Die für die Sammlung erworbenen Kunstwerke wurden den Beschäftigten der Zentralbank in internen Ausstellungen vorgestellt, und zwar erstmals im Jahr 1955. Damals wurden 144 Werke von 39 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. Die Beschäftigten konnten sich Bilder aus dieser Ausstellung für ihre Büros aussuchen. Es waren nicht nur avantgardistische Stilrichtungen in der Ausstellung vertreten, sondern auch Landschaftsmotive und Stillleben. Es sollte für jeden etwas dabei sein. Bis heute wurde die Kunstsammlung der Bundesbank regelmäßig um zeitgenössische Werke erweitert. Nach rund sieben Jahrzehnten bietet sie einen Einblick in die Entwicklung der deutschen Kunstwelt seit den 1950er-Jahren.
Und sie wird auf vielfältige Weise präsentiert. In den Sitzungs- und Büroräumen sowie in den Fluren unserer Gebäude. Bis heute können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kunstwerke für ihre Büros ausleihen. So werden Beschäftige und Gäste zu Gesprächen und Diskussionen über Kunst und Gesellschaft angeregt. Auch in Museen können Kunstinteressierte Werke aus unserer Sammlung entdecken, wenn wir sie als Leihgaben zur Verfügung stellen. In den Büros und anderen Räumen des House of the Euro in Brüssel sind ebenfalls Werke aus unserer Sammlung zu sehen. Das erst kürzlich eröffnete House of the Euro ist eine gemeinsame Repräsentanz der EZB und mehrerer nationaler Zentralbanken des Eurosystems.
Und zu guter Letzt präsentieren wir unsere Sammlung auch bei Kunstführungen und in Kunstausstellungen wie dieser hier. So treten wir in Kontakt mit der Öffentlichkeit. Das ist gut für uns, gelten Zentralbanken doch häufig als unzugänglich und verschlossen – und das, obwohl sich die meisten bereits seit Jahren um Offenheit und Dialog bemühen.
Es ging und geht bei der Bundesbank-Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst nicht in erster Linie um Repräsentation oder die Verschönerung der Räume. Auch wenn dies natürlich ein erfreulicher Aspekt ist. Vielmehr geht es darum, zeitgenössische Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr zu fördern. Kunst fordert uns heraus und regt zu Diskussionen über unsere Gegenwart und unsere Gesellschaft an.
3 Schluss
Damals wie heute verlangen die Kunst der Nachkriegszeit und die zeitgenössische Kunst von ihren Betrachterinnen und Betrachtern Offenheit, Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, und auch Toleranz. Dies sind meines Erachtens Eigenschaften, die am Arbeitsplatz und auch im politischen Umfeld in Deutschland mehr denn je gefragt sind. Möge diese Ausstellung hierzu einen Beitrag leisten – und mögen weitere gemeinsame inspirierende Projekte des Center for European Studies und der Bundesbank folgen.
Nun möchte ich noch allen herzlich danken, die diese Ausstellung ermöglicht haben. Das Konzept, das beide Sammlungen verbindet, haben entwickelt
- Grzegorz Ekiert, Laurence A. Tisch Professor of Government, Harvard University,
- Jan Kubasiewicz, Professor of Design am Massachusetts College of Art and Design und Kurator der Jacek E. Giedrojć Gallery des Center for European Studies, und
- Iris Cramer, Chefkuratorin unserer Kunstsammlung.
Dabei wurden sie von vielen unterstützt, insbesondere von
- Gila Naderi, Director of Communications am Center for European Studies,
- Albana Shehaj, Program Manager des Center for European Studies,
- Anja Hägebarth, Assistenzkuratorin der Kunstsammlung der Bundesbank, und
- Jens Reich, Repräsentant der Bundesbank in New York.
Und Ihnen allen danke ich nun für Ihre Aufmerksamkeit.