Rupprecht Geiger, 429/65, 1965

Rupprecht Geiger, 429/65, 1965, Öl auf Leinwand, 220 x 176 cm ©VG Bild-Kunst, Bonn
Rupprecht Geiger, 429/65, 1965, Öl auf Leinwand, 220 x 176 cm

Die erste Reaktion auf ein Bild von Rupprecht Geiger ist unmittelbar: Man wird überwältigt von der Kraft der Farbe. Denn dieses Rot, in das sich immer wieder Nuancen von Pink oder Orange mischen, weckt zugleich Assoziationen von Gefahr und Leidenschaft. Sinnlichkeit mischt sich mit Aggression, Faszination mit Alarmbereitschaft. Rot ist Leben, Energie, Kraft, Macht, Liebe, Wärme, Stärke. Rot macht high, erklärt Geiger seine Vorliebe für die auffälligste, aber auch vielschichtigste aller Farben, die er so geschickt zu modulieren weiß, dass sich seine Leinwände zu imaginären Räumen weiten.

Angefangen hat alles mit einem Lippenstift, den der Autodidakt in einer Care-Paket fand. Wenig später gründete Geiger mit Willi Baumeister, Fritz Winter und anderen die Künstlervereinigung „Zen 49“, die sich der Gegenstandslosigkeit verschrieben hatte. Ab 1962 schuf Geiger, der zu den bedeutendsten abstrakten Künstlern der Nachkriegsgeschichte zählt, seine monochromen Farbfelder. Dabei ging es dem Künstler stets darum, die reine Farbe möglichst frei von gegenständlicher Form als reines Erlebnis zu präsentieren, vibrierende Kontraste aus warmen und kalten Tönen zu schaffen und diese „in erregende Spannung zueinander“ zu setzen.

1965, als das Bild „429/65“ entstand, begann Geiger auch fluoreszierende Acrylfarben zu verwenden, die er mit der Spritzpistole auftrug, was die Intensität der Wirkung noch steigerte. Die Bilder scheinen nun förmlich zu leuchten.