Jens Weidmann bei einer Rede ©Nils Thies

Weidmann: Nach der Krise Schuldenquote wieder zurückführen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat vor verfrühten Hoffnungen auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft gewarnt. „Die Erholung unserer Wirtschaft wird sich hinziehen“, sagte er bei einer Online-Rede vor dem Übersee-Club Hamburg. Von wesentlicher Bedeutung für die Erholung sei die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie, und tendenziell steige die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland und wichtigen Partnerländern wieder. Selbst wenn ein verstärktes Infektionsgeschehen nicht zu strengeren Eindämmungsmaßnahmen führe, könne in einem Risikoszenario ein Schaden für die Wirtschaft drohen, weil die Menschen aus Sorgen um die Gesundheit vorsichtiger würden und ihre Kontakte reduzierten. Weidmann warnte aber auch: „Die Probleme dürfen sich nicht über Zweitrundeneffekte tiefer in die Wirtschaft hineingraben. Beispielsweise gilt es, eine breite Welle von Unternehmensinsolvenzen zu verhindern.“ Eine solche Welle könnte funktionierende Unternehmensstrukturen zerschlagen und zahlreiche Arbeitsplätze vernichten, zudem könnte auch die Zahl der Kreditausfälle kräftig steigen, was ein Risiko für die Finanzstabilität berge. 

Spagat der Wirtschafts- und Fiskalpolitik

Wenn es um die Bekämpfung der Krisenfolgen gehe, stehe die Wirtschafts- und Fiskalpolitik in erster Reihe, erklärte der Bundesbankpräsident. Sie habe die geeigneten Mittel und die demokratische Vollmacht, die Menschen und Unternehmen direkt zu unterstützen. Der Staat habe sich der Gefahr einer Abwärtsspirale in der Wirtschaft mit zahlreichen Maßnahmen wie Überbrückungskrediten, Steuerstundungen an Unternehmen oder den Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld entschlossen entgegengestellt. Dabei sollte der Staat immer wieder prüfen, ob Umfang und Dauer seiner Hilfsprogramme angemessen sind, aber auch inwieweit die Hilfen Fehlanreize setzen. Kontrovers diskutiert werde etwa das Kurzarbeitergeld. Die meisten Ökonomen hielten zwar die Verlängerung der Bezugsdauer auf bis zu 24 Monate in der Krise für vertretbar. Letztlich sollte der Staat aber das Risiko mindern, dass Unternehmen das Kurzarbeitergeld nutzen, um Geschäftsmodelle ohne Zukunft zu erhalten. Deshalb wäre es wichtig, im Gegenzug andere Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld auf den Prüfstand zu stellen, etwa die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge. Insgesamt verlange die Corona-Krise von der Wirtschafts- und Fiskalpolitik einen Spagat: „Es gilt, kurzfristig die Wirtschaft zu unterstützen, ohne den notwendigen Wandel zu behindern und ohne die längerfristigen Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren“, so Weidmann. 

Rückführung der Schuldenquote nach der Krise

Die Bundesbank schätzt, dass die deutschen Staatsschulden sprunghaft steigen werden von rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Richtung 75 Prozent im laufenden Jahr. Nach Ansicht von Weidmann kann Deutschland diese Schuldenlast tragen. Wichtig sei aber, dass alle Maßnahmen befristet seien, da sich dann die Belastungen der öffentlichen Haushalte wieder zurückbilden würden. „Weder sollte sich die Fiskalpolitik an einen laxen Kurs gewöhnen, noch sollte sie sich darauf verlassen, dass die Zinsen auf Dauer so niedrig bleiben. Deshalb kommt es nach der Krise darauf an, die gestiegene Schuldenquote wieder zurückzuführen“, sagte Weidmann. Die Pandemie führe uns vor Augen, wie wichtig solide öffentliche Finanzen sind. Der Staat habe in der Corona-Krise rasch und umfassend gehandelt. Genauso wichtig werde es sein, den Ausstieg aus dem Krisenmodus zu finden.  

Schuldenfinanzierung soll begrenzte Krisenmaßnahme bleiben

Mit Blick auf die noch stärker von der Pandemie betroffenen EU-Nachbarländer wies Weidmann daraufhin, dass in Zeiten der akuten Krise Solidarität geboten sei. „Den Umfang dieser Unterstützung muss freilich die Politik bestimmen. Sie ist dafür demokratisch legitimiert“, so Weidmann. Die EU habe einen Wiederaufbaufonds beschlossen, der auch dazu beitragen soll, die Widerstandsfähigkeit der Mitgliedsländer über Reformen zu stärken. „Solche Reformen sind zwar oft wenig populär. Aber sie wären auch ein Ausdruck von Solidarität, weil sie die Gemeinschaft in der nächsten Krise entlasten würden“, so Weidmann. Novum des Wiederaufbauplans ist die teilweise Finanzierung über eine Kreditaufnahme der EU, welche Weidmann skeptisch sieht: „Die Schuldenfinanzierung des EU-Haushalts sollte eine klar begrenzte Krisenmaßnahme bleiben und nicht der Türöffner sein für eine dauerhafte Verschuldung der EU. Europa kann nämlich sehr wohl auch ohne umfangreiche Transfers zwischen den Mitgliedstaaten funktionieren.

Staatsanleihekäufe bergen Risiken

Auch bei umfangreichen Staatsanleihekäufen durch die Notenbanken mahnte Weidmann weiterhin zur Vorsicht, da sie die Gefahr bergen würden, die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik zu verwischen. So sei das Eurosystem bereits durch die Kaufprogramme zum größten Gläubiger der Staaten geworden, was die Anreize zu solidem Haushalten schwinden ließe. Weidmann ist es daher wichtig, dass das Pandemie-spezifische Notfallankaufprogramm (PEPP) zeitlich begrenzt und eindeutig an die Krise gebunden ist: „Nach der Krise müssen die geldpolitischen Notfallmaßnahmen wieder zurückgefahren werden“, betonte der Bundesbankpräsident. Die Geldpolitik insgesamt müsse normalisiert werden, wenn die Preisaussichten es erforderten.