Schweizer Franken und US-Dollar sind "Safe Haven"-Währungen

Als die US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 Insolvenz anmeldete, löste das an den globalen Finanzmärkten Schockwellen aus. Auch die Devisenmärkte waren davon betroffen. Innerhalb eines Monats werteten beispielsweise der Yen und der US-Dollar kräftig auf, während der Australische Dollar und der Kanadische Dollar im selben Zeitraum an Wert einbüßten. In ihrem Monatsbericht Juli hat die Bundesbank nun untersucht, welche Auswirkungen Stress an den Finanzmärkten auf Wechselkurse hat. Dabei kommen die Bundesbank-Ökonomen zu dem Ergebnis, dass hinter ähnlich verlaufenden Kursentwicklungen teils ganz unterschiedliche fundamentale Ursachen stehen können.

In ruhigen Zeiten an den Finanzmärkten entwickeln sich Währungen aus Ländern mit hohen Zinssätzen tendenziell stark, während niedrig verzinste Währungen eher an Wert verlieren. Steigt jedoch der Finanzstress, dreht sich das Bild oftmals schlagartig um. In unruhigen Phasen sind plötzlich Währungen aus Ländern mit niedriger Verzinsung gefragt, wohingegen Hochzinswährungen oftmals deutlich abwerten. Als mögliche Ursachen für die Veränderung der Marktlage nennt die Bundesbank zwei Strategien von Investoren an den Finanzmärkten: die Suche nach sicheren Anlagehäfen für ihr Kapital sowie die Rückabwicklung von riskanten Spekulationsgeschäften, im Rahmen derer Investoren versuchen, aus internationalen Zinsdifferenzen einen Gewinn zu erzielen (sogenannte "Currency Carry Trades").

Suche nach Sicherheit

Im ersten Fall suchen Investoren in Krisenzeiten nach Schutz für ihr Kapital. Sie investieren daher in Länder, die als besonders krisenfest gelten. Kriterien für solche Währungsräume sind etwa politische und institutionelle Stabilität, niedrige Inflationsraten oder das Vertrauen in die Zentralbank. Mit der steigenden Nachfrage nach verschiedenen Anlagegütern in diesen Ländern gewinnen die entsprechenden Währungen an Wert.

Auch bei der Auflösung von Carry Trades steht die Suche nach Sicherheit im Mittelpunkt. Anders als bei den "sicheren Häfen" geht es hierbei jedoch um den Ausstieg aus einer riskanten Spekulationsstrategie: In ruhigen Zeiten verschulden sich Investoren in einer niedrig verzinsten Währung (Verschuldungswährung) und legen dieses Kapital in einer anderen, höher verzinsten Währung (Zielwährung) an. Der Zinsunterschied ist vereinfacht gesagt ihr Gewinn. Zunächst drücken Carry Trades den Wert der Verschuldungswährung, da aus ihr das Kapital abfließt. Steigt jedoch der Wert der Verschuldungswährung plötzlich und unerwartet und sinkt entsprechend der Wert der Anlagewährung, drohen den Spekulanten erhebliche Verluste. Bei plötzlich einsetzendem Finanzstress und sinkender Risikobereitschaft lösen Investoren daher oftmals ihre Carry Trades auf. Dies kann auch andere Anleger dazu veranlassen, ihre Engagements ebenfalls rückgängig zu machen. Auf diese Weise fließt zuweilen schlagartig viel Kapital zurück in die Verschuldungswährung, die dadurch im Wert steigt.

Schlechtwetterwährungen

Doch welche Währungen sind "sichere Häfen" und welche dienen zur Finanzierung von Spekulationsgeschäften? Die Bundesbank-Ökonomen haben in einer empirischen Untersuchung umfangreiche Kursdaten aus dem Zeitraum zwischen 1986 und 2012 ausgewertet. Dabei haben sie Renditen eines global ausgerichteten Aktienindex in Zeiten unterschiedlich hohen Finanzstresses als Indikator für Vermögensverluste verwendet. Diese Daten haben sie in Beziehung zu Wechselkursveränderungen einer Reihe von Währungen gesetzt. Eine "Safe Haven"-Währung in diesem Sinne zeichnet aus, dass sie dann Wertsteigerungen verzeichnet, wenn der Aktienindex als Referenzportfolio in unsicheren Zeiten an Wert verliert und gleichzeitig für die Auswirkungen anderer Einflussfaktoren kontrolliert wird. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von "Rainy Day"-Vermögenswerten.

Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass der Schweizer Franken und der US-Dollar als "Safe Haven"-Währungen dienen. Für sich genommen steigen ihre Kurse, wenn die globale Aktienmarktrendite in Zeiten hohen Finanzstresses sinkt. Der Yen dient dagegen in ruhigen Zeiten als Finanzierungswährung für Carry Trades, die in Stressphasen aufgelöst werden und dadurch den Yen stärken.

Der Euro-Wechselkurs verhält sich indes in Zeiten hohen Finanzstresses nicht anders als bei niedrigem Stressniveau. "Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Beobachtung, dass der Euro selbst zu Hochzeiten der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner nur vergleichsweise wenig an Wert verloren hat", schreiben die Ökonomen.