Stahlproduktion ©dpa

Robuste deutsche Direktinvestitionen im Ausland - weniger Direktinvestitionszuflüsse nach Deutschland

 

Das aktuelle Jahrzehnt könnte einen Wendepunkt in der internationalen Arbeitsteilung darstellen. Die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie und der Überfall Russlands auf die Ukraine beeinträchtigten die internationalen Lieferketten sehr stark. Beide Ereignisse könnten die Produktionsbeziehungen nachhaltig ändern, schreiben die Fachleute der Bundesbank im Monatsbericht Oktober. Darin untersuchen Sie, ob sich bereits jetzt Veränderungen in den Direktinvestitionsbeziehungen mit dem Ausland erkennen lassen.

Anstieg der Direktinvestitionen besonders stark in den USA

Wie schon im vergangenen Jahrzehnt investierten deutsche Unternehmen seit Beginn der 2020er Jahre kräftig im Ausland. So sind die deutschen Direktinvestitionen im Ausland zwischen Januar 2010 und Juni 2024 kumuliert um knapp 1.700 Milliarden Euro gestiegen.

Seit 2022 schwächte sich die Gesamtdynamik der Direktinvestitionen im Einklang mit einem weltweiten Rückgang der grenzüberschreitenden Direktinvestitionsströme etwas ab. Gemessen an den Bestandszahlen sind die USA und der Euroraum die wichtigsten Standorte für deutsche Direktinvestitionen im Verarbeitenden Gewerbe, schreiben die Fachleute. Beide Räume zusammen vereinten Ende 2022 mehr als die Hälfte des über Direktinvestitionen gehaltenen deutschen Beteiligungskapitals im Verarbeitenden Gewerbe.

Besonders stark stiegen laut den Fachleuten die Bestände des Beteiligungskapitals deutscher Direktinvestitionen in energieintensiven Wirtschaftszweigen zwischen 2020 und 2022 in den USA. Zu den energieintensiven Wirtschaftszweigen zählen beispielsweise die Herstellung chemischer Erzeugnisse oder die Metallerzeugung und -bearbeitung. Das könnte in Verbindung mit dem Einbruch der Industrieproduktion hierzulande darauf hindeuten, dass energieintensive Unternehmen ausländische Standorte auch aufgrund vergleichsweise günstiger Produktionskosten nutzen, so die Fachleute.

Insgesamt mehr Direktinvestitionen zugleich aber weniger neue Direktinvestitionen in China

China und andere G20-Schwellenländer gewannen zwischen 2020 und 2022 als Standorte deutscher Direktinvestitionsunternehmen im Verarbeitenden Gewerbe noch stärker als in den Jahren zuvor an Bedeutung. Das Beteiligungskapital deutscher Direktinvestitionen stieg 2022 sowohl in China (von 62 auf 79 Milliarden Euro) als auch in den übrigen G20-Schwellenländern (von 53 auf 61 Milliarden Euro). Das starke Engagement deutscher Unternehmen in China war in den vergangenen Jahren und im ersten Halbjahr 2024 maßgeblich auf reinvestierte Gewinne zurückzuführen, schreiben die Autoren. Darin würden sich deutsche Unternehmen von anderen ausländischen Konzernen unterscheiden. Diese zogen mehrheitlich einbehaltene Gewinne früherer Jahre ab und reduzierten auf diese Weise ihr Beteiligungskapital in China.

Laut den Autoren hielten sich deutsche Unternehmen mit neuen Direktinvestitionen in China jedoch eher zurück, während in den USA wieder stärker investiert wurde. Grund dafür dürften das nachlassende Wirtschaftswachstum in China und die starken Anreize der amerikanischen Regierung zur Produktion in den USA gewesen sein. Weniger neue chinesische Tochtergesellschaften seit 2017 deuten darauf hin, dass China als Standort für neue Investitionen für deutsche Unternehmen an Attraktivität verloren haben könnte, so der Bericht.

Weniger Direktinvestitionen nach Deutschland seit 2022

Die Autoren gehen im aktuellen Bericht auch der Frage nach, ob verminderte Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland ein Indiz für eine nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands sein könnten.

Seit Ende 2019 erhöhten ausländische Anleger ihr Beteiligungskapital in Deutschland bis Juni 2024 um 163 Milliarden Euro, schreiben sie. Dabei handelte es sich mehrheitlich um Investitionen aus Ländern außerhalb des Euroraums. Wichtigstes Herkunftsland waren die USA mit 56 Milliarden Euro, gefolgt von den Niederlanden mit 35 Milliarden Euro und dem Vereinigten Königreich mit 17 Milliarden Euro.

Laut des Berichts haben die Direktinvestitionszuflüsse nach Deutschland seit 2022 deutlich nachgelassen. Zusätzliches Beteiligungskapital aus anderen Ländern des Euroraums wurde seit Ende 2021 per saldo kaum noch bereitgestellt, heißt es. Auch die Zuflüsse aus Drittländern sind noch positiv, haben sich aber im Vergleich zu den Jahren zwischen Ende 2019 und Ende 2021 merklich abgeflacht.

Investierten ausländische Unternehmen in den Jahren 2020 und 2021 zusammen knapp über 100 Milliarden Euro Beteiligungskapital in Deutschland, flossen Deutschland anschließend bis Mitte 2024 nur noch 62 Milliarden Euro an Beteiligungskapital zu.

Tatsächlich lässt sich 2022 ein statistisch signifikanter Strukturbruch feststellen, der zu einem deutlich niedrigeren Aufkommen von Direktinvestitionen in Deutschland führte, schreiben die Fachleute. Zudem haben Mittelzuflüsse aus dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit merklich an Bedeutung verloren.

Frankreich und Spanien bei Direktinvestitionen im Vorteil

Im Vergleich mit anderen Industrienationen stellten die Fachleute fest, dass Frankreich und Spanien bei ausländischen Direktinvestoren zuletzt erfolgreicher waren. Ein Grund für die verminderten Direktinvestitionszuflüsse seit 2022 nach Deutschland könnten die hohen Energiepreise hierzulande sein. Laut den Fachleuten müssen Deutschland und Europa im intensiven Standortwettbewerb um ausländische Investitionen beweisen, dass sie international weiterhin wettbewerbsfähig sind und in der Lage sind, ausländisches Kapital anzuziehen.