Neue Kapitalanforderungen für Banken
Im Zuge der Finanzkrise mussten Kreditinstitute mit hohen Summen an Steuergeldern gestützt werden. Insbesondere sogenannte systemrelevante Institute, deren Ausfall aufgrund ihrer Größe oder Vernetzung Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Realwirtschaft gehabt hätten, wurden durch staatliche Unterstützung vor dem Ausfall bewahrt. Öffentliche Stützungsmaßnahmen verursachen aber nicht nur hohe Kosten für die Staatshaushalte, sondern führen auch zu falschen Anreizen bei Bankmanagern, heißt es im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank.
Bereits im Jahr 2008 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G20 auf globale Reformen, um die Widerstandsfähigkeit der Finanzinstitute zu stärken und die Risiken für die Finanzstabilität zu verringern. Zu den beschlossenen Maßnahmen im Rahmen des Basel-III-Regelwerks zählen höhere Anforderungen an das von den Instituten vorzuhaltende Eigenkapital und die Einführung quantitativer Liquiditätsstandards sowie einer risikounabhängigen Verschuldungsgrenze, der sogenannten Leverage Ratio.
Als weiteres zentrales Instrument wurde ein Abwicklungsverfahren für systemrelevante Institute entwickelt. Im Gegensatz zum regulären Insolvenzverfahren sollen dabei die kritischen Funktionen einer Bank fortgeführt und damit die Finanzstabilität gewahrt werden. Eines der Kernelemente dieses Abwicklungsregimes ist das Instrument der Gläubigerbeteiligung, auch Bail-in genannt. Demnach sollen die Investoren einer Bank nicht nur von den Gewinnen profitieren, sondern auch anfallende Verluste tragen. Nach den Eigentümern werden also ebenfalls Fremdkapitalgeber zur Verlustabdeckung herangezogen. Um sicher zu stellen, dass im Falle der Abwicklung eines Institutes ausreichend Verlustabsorptionsmasse zur Verfügung steht, wurden Mindestanforderungen für verlustabsorptionsfähige Verbindlichkeiten entwickelt.
Globaler TLAC-Standard für systemrelevante Institute
Auf globaler Ebene einigten sich die G20 auf den Standard Total Loss Absorbing Capacity (TLAC), der ein Mindestvolumen von verlustabsorptionsfähigem Kapital festlegt. Dieses kann neben dem regulatorischen Eigenkapital auch bestimmte Verbindlichkeiten umfassen. Gelten wird der Standard für global systemrelevante Banken, also weltweit für etwa 30 Institute.
Die Kapitalanforderungen von TLAC sollen sicherstellen, dass ein mögliches Folgeinstitut, das die kritischen Funktionen der Bank weiterführt, über eine ausreichende Eigenkapitalausstattung verfügt, sodass es die Anforderungen an den Erhalt einer Banklizenz erfüllen und Marktvertrauen herstellen kann. So könnten Kundengelder geschützt und negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität vermieden werden, heißt es im Monatsbericht. Die TLAC-Mindestanforderung soll in zwei Schritten eingeführt und ab 2022 in vollem Umfang erfüllt werden.
MREL-Anforderungen für europäische Institute
Während auf Ebene der G20-Staaten der TLAC-Standard entwickelt wurde, führte die EU parallel ein ähnliches Konzept ein - die Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities, kurz MREL. Mit diesem Standard soll sichergestellt werden, dass die in der EU niedergelassenen Institute ausreichend bail-in-fähiges Kapital für einen möglichen Abwicklungsfall vorhalten. Wenngleich sich die Zielsetzungen von TLAC und MREL decken, unterscheiden sich die beiden Konzepte in einigen zentralen Punkten. Zurückzuführen ist dies insbesondere auf die Tatsache, dass MREL auf einen deutlich größeren Kreis von Instituten abzielt, grundsätzlich unabhängig von ihrer Größe oder Systemrelevanz, während TLAC für die global systemrelevanten Institute konzipiert ist.
MREL wird von der zuständigen Abwicklungsbehörde individuell für jedes einzelne Institut festgelegt und soll damit der Heterogenität der europäischen Bankenlandschaft Rechnung tragen. Anders als bei TLAC gibt es für die MREL-Anforderungen keine gesetzlich definierte Mindesthöhe an verlustabsorptionsfähigem Kapital, sondern eine Reihe qualitativer Kriterien, die trotz der individuellen Festlegung eine Vergleichbarkeit in den EU-Mitgliedstaaten gewährleisten sollen. Für die Vielzahl an kleinen Instituten, von denen es insbesondere in Deutschland sehr viele gibt, ist davon auszugehen, dass sie keine aus Sicht des Finanzmarktes kritischen Funktionen aufweisen. Das bedeutet, dass sie über ein reguläres Insolvenzverfahren abgewickelt werden könnten, und somit grundsätzlich keine über die bisher bestehenden Eigenkapitalanforderungen hinaus gehenden MREL-Anforderungen zu erfüllen haben werden.
Offene Punkte bei MREL
Die Bundesbank weist darauf hin, dass bei der aktuellen Ausgestaltung der MREL-Regelungen im Unterschied zu TLAC eine Doppelverwendung von Kernkapital zur Erfüllung der regulatorischen Kapitalpuffer sowie der MREL-Anforderung nicht ausgeschlossen werden könne. Während MREL-Anforderungen zu jeder Zeit erfüllt sein müssten, sollten Kapitalpuffer bewusst in Stresszeiten abgebaut werden können, um anfallende Verluste abzufedern. Würde Kernkapital zu beiden Zwecken genutzt, setze das die Funktion der Kapitalpuffer außer Kraft. Weiterhin müsste in den europäischen Regelungen analog zu TLAC definiert werden, welche Konsequenzen eine Unterschreitung der Anforderungen nach sich zöge, heißt es im Monatsbericht. Diese und weitere offenen Punkte zur Anwendung der neuen MREL-Anforderung, insbesondere auch ein Nachrangigkeitserfordernis für MREL-fähige Verbindlichkeiten, sollten zügig und zielführend geklärt werden, um Klarheit für Banken und Investoren zu schaffen.
Die Bundesbank-Ökonomen warnen zudem vor politischen Initiativen, die darauf abzielten, die neuen Regelungen aufzuweichen. Dies wäre das falsche Signal und würde die Glaubwürdigkeit der Abwicklungsregelungen gefährden, heißt es dazu im Monatsbericht. Ein funktionsfähiger Abwicklungsmechanismus sei ein wichtiger Schritt hin zu einer Auflösung der engen Verbindung von Banken und Staaten. Er müsste konsequent umgesetzt werden und durch weitere Maßnahmen, wie beispielsweise der Begrenzung der Kreditvergabe von Banken an Staaten, ergänzt werden.