EZB-Rat weitet geldpolitische Sondermaßnahmen aus
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am 10. März eine Reihe geldpolitischer Maßnahmen beschlossen, damit die Inflationsrate im Euro-Raum wieder schneller steigt. Die Notenbanken im Eurosystem senken die Leitzinsen weiter und weiten ihr Anleihenkaufprogramm aus.
Leitzinsen gesenkt
Der Hauptrefinanzierungssatz, über den sich Kreditinstitute mit Zentralbankgeld versorgen können, sinkt mit Wirkung zum 16. März von 0,05 Prozent auf 0,00 Prozent. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu dem Banken sehr kurzfristig über Nacht Geld bei der EZB leihen können, sinkt von zuletzt 0,30 Prozent auf nun 0,25 Prozent.
Der bereits negative Zinssatz für die sogenannte Einlagefazilität, zu dem Banken ihnen zufließende überschüssige Liquidität bei den Notenbanken des Eurosystems parken können, wird erneut zurückgenommen. Mit Wirkung zum 16. März sinkt der Zinssatz von zuletzt -0,30 Prozent auf -0,40 Prozent.
Anleihenkaufprogramm ausgeweitet
Der EZB-Rat hat darüber hinaus beschlossen, das Programm zum Kauf von Staatsanleihen, gedeckten Schuldverschreibungen und forderungsbesicherten ABS-Papieren auszuweiten. Ab April steigt das Kaufvolumen von ursprünglich monatlich 60 Milliarden auf nun 80 Milliarden Euro. Neben den bisher vereinbarten Wertpapieren kaufen die Notenbanken des Eurosystems künftig auch Unternehmensanleihen mit ausreichender Bonitätsbewertung, dem sogenannten "Investment Grade". Außerdem werden Beschränkungen beim Ankauf von Anleihen supranationaler Institutionen gelockert.
Das Anleihenkaufprogramm des Eurosystems startete im März 2015. Ursprünglich sollten monatlich 60 Milliarden Euro eingesetzt werden. Die Laufzeit des Programms war zunächst bis mindestens September 2016 ausgelegt. Im Dezember 2015 entschied der EZB-Rat, das Programm bis März 2017 zu verlängern. In diesem Zuge erweiterte der Rat die Ankäufe auch auf Schuldtitel von Regionen wie z.B. den deutschen Bundesländern. Zudem entschied er, Erträge aus fällig werdenden Wertpapieren zu reinvestieren.
Neues langfristiges Refinanzierungsprogramm
Als zusätzliche Maßnahme legt das Eurosystem nun eine neue Serie sogenannter gezielter längerfristiger Refinanzierungsoperationen ("targeted longer-term refinancing operations", kurz TLTRO) auf. Ab Juni 2016 können sich Kreditinstitute damit quartalsweise in vier Tranchen für die Dauer von jeweils vier Jahren Zentralbankgeld beim Eurosystem leihen. Der Zinssatz dieser Refinanzierungsgeschäfte liegt beim Hauptrefinanzierungssatz, gegenwärtig also 0,00 Prozent. Vergeben Banken verstärkt Kredite an die Realwirtschaft, können sie dadurch ihren Zinssatz bis auf den Einlagensatz reduzieren.
EZB senkt Prognose
Ziel der geldpolitischen Maßnahmen des Eurosystems ist es, die Inflation auf unter, aber nahe 2 Prozent zu erhöhen. Die EZB definiert diese Höhe der Teuerung als Preisstabilität. Tatsächlich lag die jährliche Inflationsrate im Euroraum im Februar 2016 nach ersten Schätzungen von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, bei -0,2 Prozent, wofür vor allem der stark gesunkene Ölpreis ursächlich war. Ohne Energie und Nahrungsmittel belief sich der Preisauftrieb auf 0,8 Prozent.
Ihren neuen Prognosen zufolge rechnet die EZB damit, dass die Teuerungsrate 2016 bei jahresdurchschnittlich 0,1 Prozent liegen wird. In ihrer vorherigen Prognose vom Dezember 2015 waren die EZB-Ökonomen noch von einem jährlichen Preisanstieg von 1,0 Prozent ausgegangen. Für 2017 erwarten sie nun eine Inflationsrate von 1,3 (zuletzt: 1,6) Prozent. Erstmals gab die EZB auch einen Ausblick auf die erwartete Inflationsrate im Jahr 2018, die nach Einschätzung der Ökonomen bei 1,6 Prozent liegen wird.
Auch beim Wirtschaftswachstum sind die EZB-Ökonomen etwas pessimistischer als zuletzt: So prognostizieren sie ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts des Euroraums im Jahr 2016 von 1,4 (zuletzt: 1,7) Prozent. Für 2017 senken sie ihre Wachstumsprognose von zuletzt 1,9 Prozent auf nunmehr 1,7 Prozent. Für 2018 rechnet die EZB mit einem Wirtschaftswachstum des Euroraums von 1,8 Prozent.
Bundesbankpräsident im März ohne Stimmrecht
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die längerfristigen Risiken und Nebenwirkungen der ultra-expansiven Geldpolitik nicht einfach ausgeblendet werden dürfen. Allerdings war er bei der EZB-Ratssitzung am 10. März turnusgemäß nicht stimmberechtigt. Wie alle übrigen Ratsmitglieder konnte er jedoch an der Sitzung teilnehmen und seine Argumente vertreten.
Hintergrund ist das Abstimmungsverfahren nach dem Rotationsprinzip, das Anfang 2015 mit der Erweiterung des Euro-Raums auf 19 Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist. Danach verfügen die fünf größten Länder, also Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande, im Rat über vier Stimmen. Bei jeder Ratssitzung hat rotierend ein Mitglied der Gruppe kein Stimmrecht. Auf die übrigen 14 nationalen Notenbankpräsidenten entfallen insgesamt elf Stimmrechte, wodurch jeweils drei Mitglieder rotierend nicht mit abstimmen dürfen. Die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums haben immer Stimmrecht.
EZB-Pressemitteilung
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