Überwachung des Zahlungsverkehrs und der Wertpapierabwicklung

Auf den folgenden Seiten finden Sie nähere Informationen zu den Aufgaben der Bundesbank im Rahmen der Überwachung des Zahlungsverkehrs und der Wertpapierabwicklung.

Individualzahlungsverkehrssysteme

Einführung

Individualzahlungsverkehrssysteme (auch als Großbetragszahlungssysteme bezeichnet) bilden die Basis der Zahlungsverkehrsinfrastruktur im Euro-Währungsraum. Über sie werden meist große, zeitkritische Interbanken- und Kundenzahlungen taggleich abgewickelt. Hierzu zählen Zahlungen mit geldpolitischem Bezug oder zur Verrechnungen von Geldmarkt-, Wertpapier-, Devisenhandels- und Derivategeschäften ebenso wie eilbedürftige Kundenzahlungen. Dabei kann die Verrechnung direkt zwischen Systemteilnehmern erfolgen oder dem Ausgleich von Zahlungsverpflichtungen aus Nebensystemen, wie z. B. der Wertpapierabwicklung oder des Massenzahlungsverkehrs, dienen.

Individualzahlungen werden meist in sogenannten Bruttozahlungsverkehrssystemen einzeln und in voller Betragshöhe abgerechnet. Eine Aufrechnung von Soll- und Habenpositionen (sog. Netting) oder eine Aufrechnung gegenläufiger Zahlungen verschiedener Teilnehmer erfolgt hierbei nicht. Diese transaktionsbasierte Verarbeitung der Zahlungen, die zumeist in Echtzeit erfolgt, unterliegt i. d. R. einem strengen Deckungsprinzip. Das heißt, von den Teilnehmern am System wird erwartet, dass sie die erforderliche Liquidität für fällige Zahlungen auf ihren Konten vorhalten. Somit ist jede einzelne Zahlung für die Liquiditätsdisposition der Teilnehmer relevant.

Alternativ können Individualzahlungen auch in Nettozahlungsverkehrssystemen abgewickelt werden. Dies schont die Liquidität der Teilnehmer, weil eingehende und ausgehende Zahlungen gegeneinander aufgerechnet werden, so dass ein Systemteilnehmer lediglich den entstehenden Saldo erhält bzw. zahlen muss. Die Feststellung und der endgültige Ausgleich dieser Salden können zwar während des Tages durchgeführt werden, erfolgen aber üblicherweise erst am Tagesende. Es liegt also bei den meisten Nettosystemen keine sofortige Finalität der einzelnen eingereichten Zahlungen vor. Da vorab nicht sichergestellt werden kann, dass die entsprechenden Salden zum Fälligkeitszeitpunkt auch wirklich beglichen werden und dass die üblicherweise vorhandenen Sicherungsmechanismen wie Limits oder die Stellung von Sicherheiten voll greifen, besteht bei Nettosystemen prinzipiell ein sogenanntes Rückabwicklungsrisiko. Damit wirkt sich der Ausfall eines Teilnehmers negativ auf die anderen Teilnehmer des Systems aus und kann zum Ausfall weiterer Teilnehmer bis hin zum Zusammenbruch des Systems führen. Zur Reduktion dieses Rückabwicklungsrisikos müssen Nettosysteme bestimmte Sicherheitsvorkehrungen aufweisen.

Überwachungsobjekte

Das neue Zahlungsverkehrssystem T2 wurde am 20. März 2023 in Betrieb genommen und löst damit das bisherige TARGET2 ab. Es ist ein vom Eurosystem betriebenes Echtzeit-Bruttozahlungsverkehrssystem, das auf einer einheitlichen technischen Plattform betrieben wird. Das System verrechnet eingereichte Zahlungen kontinuierlich und transaktionsorientiert in hoch liquidem und sicherem Euro-Zentralbankgeld. T2 stellt eine Weiterentwicklung traditioneller Bruttosysteme dar. Bei diesen können sich, falls die teilnehmenden Banken keine ausreichend hohe Liquidität vorhalten, lange Warteschlangen noch unausgeführter Zahlungen ergeben, so dass der von Bruttosystemen erwartete Vorteil einer frühen Endgültigkeit von Zahlungen nicht zum Tragen kommt. T2 dagegen bietet liquiditätssparende Mechanismen wie z. B. die Verrechnung von Zahlungen in Warteschlangen auf gedeckter Basis. Es vereint damit den Vorteil der frühen Finalität eines Bruttosystems mit dem der Liquiditätsersparnis eines Nettosystems.

Aufgrund seiner sofortigen Finalität verrechnen zahlreiche europäische Abwicklungssysteme, wie z. B. EURO1, verschiedene Massenzahlungssysteme, Wertpapierabwicklungssysteme und zentrale Kontrahenten, ihre Geldströme über T2. Ferner werden sämtliche Zahlungen aus den geldpolitischen Operationen des Eurosystems über T2 abgewickelt. T2 ist somit die Basis für das Euro-Liquiditätsmanagement der Kreditinstitute. Es gewährt den Zugang zu Zentralbankgeld, ermöglicht die unverzügliche Nutzung eingehender Gutschriften und bietet verschiedene Optionen für ein paneuropäisches Liquiditätsmanagement.

Weiterführende Informationen

T2 Was ist T2


 

EURO1 ist ein privatwirtschaftlich betriebenes multilaterales Euro-Nettozahlungsverkehrssystem der EBA CLEARING für grenzüberschreitende und nationale Zahlungen zwischen in der Europäischen Union tätigen Kreditinstituten. Die in das System eingereichten Zahlungen zugunsten anderer Teilnehmer werden permanent in eine Forderung bzw. Verbindlichkeit der jeweiligen Teilnehmer gegenüber dem System umgewandelt (sogenannte Single Obligation Structure). Diese individuellen Positionen werden bei jeder weiteren Einreichung einer Zahlung automatisch angepasst. Die Abschlusspositionen der EURO1-Teilnehmer werden am Tagesende über T2 in Zentralbankgeld ausgeglichen. Zur individuellen Risikosteuerung legen die einzelnen EURO1 Teilnehmer bilaterale Limits für ihre Nettoposition gegenüber allen anderen Systemteilnehmern fest. Die Summe aller Limits eines einzelnen Teilnehmers, die vom System akzeptiert wird, ist begrenzt. Sie kann maximal die Hälfte des beider EZB unterhaltenen Garantiefonds betragen, der von allen EURO1 Teilnehmern zu gleichen Teilen finanziert wird. Hierdurch soll ein möglicher Ausfall von zwei Teilnehmern mit der größten Nettoposition durch den Garantiefonds abgesichert werden.

Ein Kreditinstitut kann Einschränkungen durch die bilateralen Limits dadurch abmildern, als es seine Liquiditätsposition in EURO1 durch Zuführung neuer Liquidität nach EURO1 aus T2 verbessert. In gleicher Weise kann überschüssige Liquidität aus EURO1 abgeführt werden.

Durchführung

Die Überwachung der Individualzahlungssysteme T2 und EURO1 liegt im Interesse aller EU-Zentralbanken, in denen diese Systeme genutzt werden. Für beide Systeme hat die EZB die führende Rolle in der Überwachung und alle interessierten Zentralbanken können sich an den Überwachungsaufgaben und -entscheidungen beteiligen. Die Bundesbank nimmt aktiv an der Überwachung beider Systeme teil. Dabei beteiligt sie sich an der Auswertung der von den Systemen bereitgestellten Informationen sowie an Gesprächen mit den Betreibern. Grundlage für die Überwachungsaktivitäten ist die EU-Verordnung Nr. 795/2014 zu den Anforderungen an die Überwachung systemrelevanter Zahlungsverkehrssysteme, die von der EZB erlassen wurde und wiederum auf den CPSS/IOSCO-Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen (PFMI) basiert. Darüber hinaus ist die Bundesbank in die Entscheidungsfindung in den relevanten Arbeitsgruppen und Komitees auf Eurosystem-Ebene eingebunden.

Im Rahmen der laufenden Überwachung werden die europäischen Individualzahlungsverkehrssysteme in regelmäßigen Zeitabständen anhand der einzuhaltenden Überwachungsstandards beurteilt. Hierfür beantworten die Systembetreiber zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog zu den Überwachungsanforderungen. Ihre Antworten werden durch die an der Überwachung beteiligten Zentralbanken analysiert und Unklarheiten mit dem Systembetreiber besprochen. Hierauf aufbauend werden bei Bedarf Empfehlungen ausgesprochen, die z. B. Änderungen am System oder seiner Organisation betreffen können, und ein abschließender Überwachungsbericht erstellt.

Nach den Vorgaben der PFMIs sind regelmäßige Stresstests durchzuführen. Die diesbezüglichen Verfahren sind von den Betreibern der Zahlungsverkehrssysteme eigenverantwortlich zu entwickeln. Verfahren und Ergebnisse werden von der Überwachung evaluiert.

Im Rahmen der ad hoc Überwachung sind seitens der Systeme schwerwiegende Störfälle, die sich während des laufenden Systembetriebs ereignen, zeitnah zu melden. Hierbei ist insbesondere das Ausmaß der Störung, ihre Ursache sowie die Behebung des Problems darzulegen. Der daraus resultierende Überwachungsbericht wird den einzelnen an der Systemüberwachung beteiligten nationalen Zentralbanken zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus finden zweimal jährlich Treffen zwischen den mit der Überwachung beauftragten Zentralbanken und den einzelnen Systembetreibern statt. Dabei werden neben Aspekten der laufenden Überwachung auch Störfälle der vergangenen Überwachungsperiode analysiert und künftige Vorhaben des Unternehmens sowie geplante Systemänderungen besprochen.