Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht am 10. September 2012

1. Gesetz zur Überwachung der Finanzstabilität (FinStabG)

Die Deutsche Bundesbank begrüßt die mit dem FinStabG vorgesehene Einrichtung einer Finanzstabilitätsüberwachung in Deutschland und die ihr in diesem Zusammenhang zugewiesenen Aufgaben. Das dem Gesetzentwurf zugrundeliegende Konzept der Zusammenarbeit des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) und der Deutschen Bundesbank wird die Beteiligten in die Lage versetzen, auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene einen substantiellen Beitrag zur Stärkung der Finanzstabilität zu leisten. Die der Deutschen Bundesbank bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben eingeräumte Unabhängigkeit gewährleistet, dass sie ihren Beitrag zur Finanzstabilität frei von der Einflussnahme durch Dritte erbringen kann und Interessenskonflikte mit ihren Aufgaben als integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken vermieden werden.

Im Einzelnen gilt Folgendes: 

Im Zuge der Finanzkrise hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Finanzsystem ganzheitlich mit dem Ziel überwacht werden muss, seine Stabilität zu sichern. Es gilt, systemische Risiken frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Die Einzelinstitutsaufsicht muss um eine solche, das Finanzsystem als Ganzes berücksichtigende Überwachung ergänzt und mit ihr verzahnt werden. Auf europäischer Ebene wurde zu diesem Zweck der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) errichtet, der für die Aufsicht über das Finanzsystem in der Union zuständig ist. Der ESRB ist neben den europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden und dem Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden Teil des Europäischen Finanzaufsichtssystems. 

In Deutschland soll der Notwendigkeit einer solchen Überwachung des Finanzsystems nun durch das FinStabG Rechnung getragen werden, das Bestandteil des Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht ist. Im Zentrum des Gesetzentwurfs steht der Ausschuss für Finanzstabilität, der im Wesentlichen die für die Finanzstabilität maßgeblichen Sachverhalte erörtert und mit Warnungen auf identifizierte, die Finanzstabilität beeinträchtigende Gefahren hinweisen und Maßnahmen zur Abwehr und Beseitigung dieser Gefahren empfehlen kann. Die Deutsche Bundesbank begrüßt, dass der Gesetzgeber mit der Errichtung eines Ausschusses ein Modell gewählt hat, das gewährleistet, dass die gesammelte Expertise der mit der Finanzstabilität auf nationaler Ebene befassten öffentlichen Institutionen genutzt wird: Vorsitzender und zwei weitere Vertreter werden vom BMF entsandt, jeweils drei Vertreter von der BaFin und der Deutschen Bundesbank sowie ein weiteres (stimmrechtsloses) Mitglied von der FMSA. 

Die Deutsche Bundesbank begrüßt auch, dass ihr eine herausgehobene Rolle bei der Überwachung der Finanzstabilität in Deutschland zugewiesen wird. Das Eurosystem und damit  auch die Deutsche Bundesbank als Bestandteil des Eurosystems leisten nach Art. 127 Abs. 5 AEUV einen Beitrag zu Initiativen und Maßnahmen, die auf europäischer Ebene und weltweit die Stabilität des Finanzsystems sicherstellen sollen. Aufbauend auf der Expertise der Deutschen Bundesbank im Bereich der Finanzstabilität wird ihr nunmehr zusätzlich der gesetzliche Auftrag erteilt, zur Wahrung der Finanzstabilität in Deutschland beizutragen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Deutsche Bundesbank die Befugnisse nach dem Finanzstabilitätsgesetz unabhängig wahrnimmt. Sie wird genauso unabhängig gestellt wie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank. Damit wird gewährleistet, dass sie ihre Analysen und die Vorbereitung von Maßnahmen frei von der Einflussnahme Dritter durchführen kann. Die ihr für diese Aufgabenerfüllung garantierte Unabhängigkeit entspricht auch der ihr in Art. 130 AEUV unionsrechtlich garantierten Unabhängigkeit bei der Erfüllung von Eurosystemaufgaben, darunter des Beitrags zu Maßnahmen der zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Finanzstabilität. Beide Elemente des Konzepts, die Verpflichtung der Deutschen Bundesbank zur Leistung eines Beitrags zur Finanzstabilität und die ihr dabei eingeräumte Unabhängigkeit, führen dazu, dass die politische Letztverantwortlichkeit für die Finanzstabilität unverändert bei der Bundesregierung verbleibt. Diese Konstruktion ist wichtig, damit etwaige Interessenskonflikte der Deutschen Bundesbank mit ihren Aufgaben als integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken vermieden werden können. 

In diesen Rahmen fügen sich auch die der Deutschen Bundesbank im Gesetz zugewiesenen Aufgaben und die Ausgestaltung ihrer Wahrnehmung ein. Die Deutsche Bundesbank führt Analysen der Finanzstabilitätslage durch, bereitet Vorschläge für Warnungen und Empfehlungen des Ausschusses für Finanzstabilität sowie dessen jährlichen Bericht an den Deutschen Bundestag vor. Bei Abstimmungen im Ausschuss über diese Vorschläge werden die Stimmen der Vertreter der Deutschen Bundesbank besonders gewertet. Entscheidungen werden zwar grundsätzlich mit einfacher Mehrheit getroffen, aber bei Abstimmungen über Warnungen, Empfehlungen und den jährlichen Bericht des Ausschusses an den Bundestag nicht gegen die Stimmen der anwesenden Vertreter der Deutschen Bundesbank. 

Positiv zu bewerten ist auch, dass die Deutsche Bundesbank durch das Gesetz in die Lage versetzt wird, die für die Erstellung kompetenter Analysen der für die Finanzstabilität maßgeblichen Sachverhalte notwendigen Informationen zu erheben. Die Deutsche Bundesbank kann zwar bereits auf eine eigene breite Datenbasis insbesondere aus statistischen Erhebungen oder bankaufsichtlichen Meldungen zurückgreifen. Doch wird sie für ihre Aufgabenerfüllung nach dem FinStabG darüber hinaus weitere Informationen über den Finanzsektor insgesamt benötigen. Die Deutsche Bundesbank soll daher Zugriff auf Informationen der BaFin erhalten. Soweit auch die bei der Deutschen Bundesbank oder BaFin vorhandenen Daten nicht ausreichen sollten, soll die Deutsche Bundesbank auf der Grundlage einer Rechtsverordnung des BMF ergänzend Daten bei finanziellen Kapitalgesellschaften[1] erheben können. Das Gesetz ermöglicht es der Deutschen Bundesbank somit beispielsweise etwaige für die notwendige Überwachung des Schattenbankensystems in Deutschland erforderliche Informationen einzuholen, womit entsprechenden Empfehlungen des Financial Stability Board Folge geleistet wird. Gleichzeitig wird auch der Empfehlung des ESRB zu dem makroprudenziellen Mandat der nationalen Behörden (ESRB/2011/3) Rechnung getragen. Der ESRB hat den Mitgliedstaaten empfohlen sicherzustellen, dass eine mit einem makroprudenziellen Mandat versehene Behörde die Befugnis hat, sämtliche nationalen Daten und Informationen rechtzeitig anzufordern und zu erhalten, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben von Bedeutung sind, einschließlich nichtaufsichtlicher Informationen. 

In diesem Zusammenhang sind ferner die Regelungen positiv zu werten, die klarstellen, dass auch der Ausschuss für Finanzstabilität soweit erforderlich mit dem ESRB und den zur Wahrung der Finanzstabilität zuständigen Behörden der anderen EU-Mitgliedstaaten Informationen von Relevanz für die Finanzstabilität austauschen kann. Dies verstärkt noch einmal die ohnehin bestehende Rolle der im Ausschuss für Finanzstabilität vertretenen BaFin und Deutschen Bundesbank, die bereits durch Unionsrecht zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch verpflichtet sind (vgl. etwa Art. 1 Abs. 4 und Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken). Zusammen mit der Änderung von (zusätzlich auch über einen Verweis im FinStabG anwendbaren) § 9 KWG (über den Entwurf des CRD IV Umsetzungsgesetzes), wonach vertrauliche Informationen unter bestimmten Voraussetzungen dem Ausschuss für Finanzstabilität, dem IWF und der BIZ sowie bei ihr ansässigen Gremien wie dem Financial Stability Board zur Verfügung gestellt werden können, wird damit ferner den europäischen und internationalen Anforderungen zum Informationsaustausch im Bereich der Finanzstabilität Rechnung getragen. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch ist gerechtfertigt und notwendig, da die Finanzstabilität betreffende Sachverhalte nur in seltenen Fällen national begrenzt sein werden. Somit wird ein schlüssiges Konzept im Bereich der Informationsweitergabe geschaffen, so dass Deutschland auf europäischer und internationaler Ebene in die Lage versetzt wird, sich in den entsprechenden Gremien (u.a. FSB und Baseler Ausschuss) angemessen einbringen zu können. 

Durch die Rolle der BaFin und auch der Deutschen Bundesbank im Ausschuss wird zudem eine institutionelle Verzahnung der nationalen makroprudenziellen Überwachung mit der europäischen makroprudenziellen Überwachung im ESRB hergestellt, in dem beide Institutionen vertreten sind. Daher ist es auch zweckmäßig, dass der Ausschuss über den Umgang mit Warnungen und Empfehlungen des ESRB beraten soll, die an deutsche Behörden/ Deutschland gerichtet wurde(n). 

2. Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG)

Mit Blick auf die in Art. 2 des Gesetzentwurfs geplanten Änderungen des FinDAG begrüßt die Deutsche Bundesbank ausdrücklich, dass die bewährte Zusammenarbeit der BaFin und der Deutschen Bundesbank in der mikroprudenziellen Aufsicht, d.h. bei der Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute beibehalten wird. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die von den Staats- und Regierungschefs Ende Juni beschlossene Errichtung eines einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus auf die Wahrnehmung der Aufsicht über deutsche Institute auswirken wird; die Kommission hat angekündigt, im September konkrete Vorschläge vorzulegen.

  1. vgl. Anhang A Kapitel 2 Nummer 2.32 bis 2.67 der Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates vom 25. Juni 1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 310 vom 30.11.1996, S. 1)