Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Bundesbank für das Fachgespräch mit dem Finanzausschuss des Landtages Schleswig-Holstein am 01. Februar 2024

Zu Motivation und Merkmalen eines digitalen Euro

Einer immer digitaler werdenden Welt und den damit einhergehenden Veränderungen könnte mit dem im Jahr 2021 gestarteten Projekt des digitalen Euro Rechnung getragen werden. In der Folge sind neue Produkte und neue Märkte entstanden und Abläufe haben sich verändert. Auch im Zahlungsverkehr digitalisieren sich die Prozesse. Dadurch verändert sich auch das Zahlungsverhalten der Bevölkerung. In Deutschland hat der Anteil der Barzahlungen an der Ladenkasse und in der Freizeit in den vergangenen Jahren abgenommen und macht wertmäßig nur noch ein Drittel des Umsatzes aus.[1] Gleichzeitig wird für den Bezahlvorgang die Karte, das Smartphone oder die Smartwatch gebräuchlicher und beliebter. Es liegt daher nahe, dass diese Entwicklung weiter voranschreiten wird. Der digitale Euro könnte der steigenden Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach schnellen und sicheren digitalen Bezahlmöglichkeiten nachkommen.

Gleichzeitig soll ein wichtiger Beitrag zur strategischen Autonomie Europas im Zahlungsverkehr geleistet und die Souveränität Europas gestärkt werden. Auch wenn heute eine Vielzahl an Zahlungsmöglichkeiten existiert, sind die meisten dieser Lösungen entweder nur im eigenen Land verfügbar oder werden von außereuropäischen Anbietern bereitgestellt. Eine europaweit einheitliche Lösung lässt noch auf sich warten. Dadurch entstehen Abhängigkeiten in einem Bereich, der systemkritische Funktionen erfüllt. Der digitale Euro würde eine europäische Infrastruktur bieten, auf deren Basis innovative und kostengünstige Dienstleistungen entwickelt werden könnten, die gleichzeitig die Abhängigkeit von großen außereuropäischen Anbietern reduzieren könnte.

Ein digitaler Euro wäre als allgemein akzeptiertes digitales Zahlungsmittel im gesamten Euroraum und jederzeit für sämtliche digitale Zahlungen des Alltags kostengünstig und bequem einsetzbar – also für Zahlungen in Geschäften, im Onlinehandel, von Person zu Person (P2P) und bei Zahlungen von und an staatliche Stellen. Er wäre somit universell nutzbar und würde von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken (Eurosystem) als Zentralbankgeld, wie derzeit nur Bargeld, über Intermediäre auch an Privatpersonen ausgegeben. 

Banken und andere Zahlungsdienstleister könnten ihren Kundinnen und Kunden eine elektronische Geldbörse einrichten, mit der sie neben anderen Anwendungen auch den digitalen Euro nutzen könnten. Außerdem soll es auch möglich sein, dass die Intermediäre den digitalen Euro mittels einer App anbieten. Nach Einrichtung der Wallet könnte diese über ein Referenzkonto oder durch Einzahlung von Bargeld aufgeladen und danach für Zahlungen benutzt werden. Die eigentliche Zahlung würde kontaktlos oder mit Hilfe von QR-Codes erfolgen. Die Schlüsselrolle der Intermediäre bliebe erhalten; sie würden weiterhin die Schnittstelle zu Verbrauchern, Firmen und Handel bilden. 

Es ist vorgesehen, dass der digitale Euro Zahlungen sowohl online als auch offline ermöglichen soll. Er wäre jederzeit einsatzbereit, sicher und würde die Privatsphäre schützen. Neben der Bezahlmöglichkeit online soll ebenfalls gewährleistet sein, dass digitales Bezahlen auch ohne Internetverbindung jederzeit und überall möglich ist. Zudem könnte den Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise mit solchen Offline-Zahlungen ein zusätzliches Maß an Privatsphäre geboten werden, indem anonyme Transaktionen bis zu einer bestimmten Höhe ohne Beteiligung von Intermediären möglich sein sollen. Der digitale Euro würde somit unbeschadet anderweitiger regulatorischer Anforderungen, wie etwa zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, ein Höchstmaß an Datenschutz und -souveränität bieten, denn das Eurosystem würde ebenso Zahlungen mit dem digitalen Euro – sowohl offline als auch online – nicht mit der Identität einzelner Nutzerinnen und Nutzer verknüpfen können. Im Gegensatz zu manchen heute vor allem im Onlinehandel genutzten Zahlungsverfahren würden keine Daten über das Zahlungsverhalten an Dritte weitergegeben. 

Zudem soll der digitale Euro inklusiv und barrierefrei sein und niemanden ausschließen, denn alle Teile der Bevölkerung sollen an entsprechenden Angeboten partizipieren und digital bezahlen können. Dies könnte nicht nur über eine möglichst einfache und inklusive Ausgestaltung der App, sondern auch über eine zusätzliche physische Zahlungskarte erreicht werden, da nicht jeder oder jede ein Smartphone besitzt. Für diejenigen natürlichen Personen, die kein Konto für den digitalen Euro bei Kreditinstituten oder anderen Zahlungsdienstleistern eröffnen möchten, sollen geeignete nationale Institutionen die notwendigen digitalen Zahlungsdienste erbringen können.

Durch eine entsprechende Ausgestaltung des digitalen Euro würden potenzielle Risiken weit möglichst begrenzt.  Gegen mögliche Risiken für die Finanzstabilität, wie etwa ein substanzieller Einlagenabfluss aus dem Bankensystem, sind geeignete Schutzmechanismen vorgesehen. Da der digitale Euro zum Bezahlen im Alltag und nicht zur Wertaufbewahrung vorgesehen ist, soll es sogenannte Haltelimits geben. Wie ein solches Limit genau ausgestaltet wäre und in welcher Höhe es festgesetzt wird, steht noch nicht fest. Eine erste Analyse mit unterschiedlichen Haltelimiten und ihren Auswirkungen auf die Liquiditätsposition des Kreditgewerbes in Deutschland hat die Bundesbank für den deutschen Markt vorgenommen.[2] Um die Haltelimite nicht zu einem Hindernis für die praktische Nutzung als Zahlungsmittel werden zu lassen, sind automatische Übertragungen von Giralgeld in den digitalen Euro und umgekehrt vorgesehen – sofern ein Referenzkonto verknüpft wird. Somit würden Haltelimite die praktische Handhabung eines digitalen Euro nicht behindern.

Der digitale Euro soll das Bargeld ergänzen, kann es aber nicht ersetzen. Dank Bargeld können Verbraucherinnen und Verbraucher frei entscheiden, wie sie bezahlen möchten. Bargeld ist zudem bedeutsam für die finanzielle Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Bundesbank dafür ein, dass Euro-Bargeld auch in Zukunft ein attraktives Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bleibt. Hierzu muss sichergestellt werden, dass Euro-Banknoten und -Münzen weiterhin breit verfügbar und allgemein akzeptiert sind.

Zum Projektstand und dem gesetzlichen Rahmen 

Seit Beginn des Projekts im Jahr 2021, hat sich die Europäische Zentralbank mit den nationalen Zentralbanken der Euro-Länder („Eurosystem“) mit der möglichen Ausgestaltung eines digitalen Euro befasst. Als Ergebnis dieser Untersuchungen hat der EZB-Rat ein erstes Konzept für den digitalen Euro gebilligt. Dies umfasst die zuvor beschriebenen Merkmale. Mitte Oktober 2023 hat der EZB-Rat den ersten Teil der Vorbereitungsphase, als nächste Projektphase, eingeleitet. Diese ist zunächst auf zwei Jahre angelegt und läuft seit dem 1. November 2023.

Der Übergang in die Vorbereitungsphase ist noch keine Entscheidung darüber, ob ein digitaler Euro tatsächlich herausgegeben werden wird. Diese Entscheidung kann erst dann gefällt werden, wenn der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen vorgegeben hat.

Dazu veröffentlichte die Europäische Kommission Ende Juni 2023 ihren Vorschlag für eine Verordnung[3], die dem europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union zur Verabschiedung vorliegt. Dies erfolgte im Rahmen eines Gesetzgebungspakets, das auch Vorschläge zur Stärkung des Euro-Bargelds enthält.[4] Dadurch und durch die vorgesehene Nichtverzinsung wird die Komplementarität von digitalem Euro und Bargeld bekräftigt. 

Der Verordnungsentwurf sieht vor, den digitalen Euro zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu erklären. So wären Zahlungsempfängerinnen und -empfänger im Euroraum grundsätzlich gehalten, den digitalen Euro zu Zahlungszwecken zu akzeptieren. Gesetzlich verankert werden soll zudem die Möglichkeit von Offline-Zahlungen. Weiterhin greift der Vorschlag viele Aspekte der Untersuchungsphase auf und setzt wichtige Leitplanken. So soll die bedeutende Rolle von Intermediären im Zahlungsverkehr an der Schnittstelle zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gesichert werden. Der Verordnungsentwurf sieht daneben auch spezifische Regelungen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie allgemeine Mechanismen zur Aufdeckung und Verhütung von Betrug vor.

Im Hinblick auf das Gebührenmodell sollen grundlegende Zahlungsdienste mit dem digitalen Euro für Privatpersonen kostenlos sein. Im Handel sollen Banken und andere Zahlungsdienstleister Gebühren erheben dürfen, für die der Gesetzgeber aber einen groben Rahmen vorgeben würde. Das Eurosystem würde seine Kosten selbst tragen.

Sobald der rechtliche Rahmen feststeht und die Vorarbeiten abgeschlossen sind, könnte der EZB-Rat über die tatsächliche Entwicklung und Einführung eines digitalen Euro entscheiden. Der Einführungszeitpunkt hängt maßgeblich von den Fortschritten im Legislativprozess ab. Nach heutigem Stand wäre frühestens im Jahr 2028 mit einer Einführung eines digitalen Euro für alle zu rechnen.

  1. Deutsche Bundesbank (2022), Zahlungsverhalten in Deutschland 2021.
  2. Vgl. Deutsche Bundesbank (2023), Finanzstabilitätsbericht, S. 78ff.
  3. Europäische Kommission (2023), Kommission stärkt Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel und schlägt digitalen Euro vor, Pressemitteilung, 28.06.2023.