Unabhängig von China bleiben Interview mit den Schaumburger Nachrichten
Das Gespräch mit Burkhard Balz führte Mira Colic.
Herr Balz, können Sie in zwei Sätzen erklären, was der digitale Euro ist?
Der digitale Euro soll eine digitale Form des Bargeldes werden. Bürgerinnen und Bürger sollen damit überall und jederzeit bezahlen können, sowohl online als auch offline.
Warum sollten die Bürger ihre Geldscheine dafür tauschen?
Bürgerinnen und Bürger sollen auch weiterhin mit Bargeld bezahlen können und das, solange sie möchten. Natürlich wird es weiterhin Bargeld geben. In unserer zunehmend digitalen Welt wird Bargeld aber immer seltener genutzt. Deshalb möchte das Eurosystem den digitalen Euro einführen – eine digitale Form unseres Geldes, die zusätzlich zum Bargeld verfügbar sein wird. Der digitale Euro soll dabei überall und jederzeit nutzbar sein, sei es beim Bäcker um die Ecke oder im Onlinehandel.
Was passiert bei Transaktionen mit meinen Daten?
Viele Bürgerinnen und Bürger legen großen Wert darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert und geschützt wird. Dem fühlen wir uns im Eurosystem auch beim digitalen Euro verpflichtet. Im Unterschied zu privaten Zahlungsanbietern haben Zentralbanken keinerlei Interesse daran, Nutzerdaten kommerziell zu verwenden. Vielmehr diskutieren wir derzeit intensiv darüber, wie wir die hohe Privatsphäre beim Bargeld bestmöglich auf den digitalen Euro übertragen können. Denn beim Bargeld können nur Zahler und Zahlungsempfänger die Informationen zu einer Transaktion nachvollziehen.
Warum ist der digitale Euro und damit die Einführung eines eigenen Zahlungssystems nötig?
Uns geht es um Autonomie, Resilienz und Effizienz. Wir möchten wegen der zunehmenden Digitalisierung und der abnehmenden Nutzung von Bargeld eine digitale Form unseres Geldes einführen. Denn das hilft uns im Eurosystem dabei, unabhängig über unser Geld zu entscheiden. Außerdem bauen wir eine neue europäische Infrastruktur für Zahlungen im Euroraum auf. Denn obwohl der Euro schon seit über 25 Jahren existiert, gibt es immer noch kein europäisches Bezahlsystem. Mit der neuen Infrastruktur wird Europa unabhängiger von Anbietern außerhalb Europas. Mit dem digitalen Euro schaffen wir zudem einen gemeinsamen Bezahlstandard und fördern so den Wettbewerb in Europa. Vor allem kleine Anbieter, die sich die hohen Investitionskosten für eine eigene Zahlungsinfrastruktur nicht leisten können, dürften davon profitieren.
Was kostet er?
Derzeit lassen sich die Kosten noch nicht genau beziffern. Es gibt Kosten auf Seiten der Zentralbanken des Eurosystems, bei den Banken und auch im Handel. Allerdings kostet die Bereitstellung von Geld immer etwas, auch wenn Bargeld für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos ist.
Was sagen Sie den Demonstranten, die gegen den digitalen Euro sind?
Es ist wichtig und ein Ausdruck einer funktionierenden Demokratie, wenn Bürgerinnen und Bürger staatliche Projekte kritisch hinterfragen. Uns wird zum Beispiel häufig vorgeworfen, dass wir mit der Einführung des digitalen Euro das Bargeld abschaffen wollten. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Europäische Kommission will die Akzeptanz des Euro als Bargeld und als digitale Version stärken. Auch ist die Einführung einer dritten Banknoten-Serie vorgesehen. Die Bürgerinnen und Bürger werden also auch in Zukunft mit Bargeld bezahlen können.
Welche Rolle spielt China bei der Frage europäischer Autonomie im Zahlungsverkehr?
Neben dem Eurosystem arbeiten mehr als 130 Währungsräume an einer digitalen Version ihrer Währung. Die chinesische Zentralbank hat in Pilotversuchen schon erste Erfahrungen mit der digitalen Währung gesammelt. Gleichzeitig versuchen private chinesische Zahlungsanbieter, in Europa Fuß zu fassen. Das wurde besonders während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland im vergangenen Jahr deutlich. Auf einigen Fanmeilen konnten die Fans nur mit dem chinesischen Zahlungsanbieter Alipay oder Bargeld bezahlen. Diese Entwicklungen müssen wir im Auge behalten, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Die Einführung des digitalen Euro würde dem vorbeugen.
Warum hat Europa kein eigenes PayPal? Wie sehen Sie die Angebote der privaten Banken wie Wero? Ein Schritt in die richtige Richtung?
Es gibt in einigen europäischen Ländern Angebote für digitales Bezahlen, die über die Karte hinausgehen. Diese sind aber meist nationale Lösungen, die an den jeweiligen Ländergrenzen enden. Über Jahrzehnte hat der europäische Bankensektor es verpasst, eine europäische Lösung zu entwickeln. Daher gibt es in Europa derzeit nur nationale und außereuropäische Zahlungslösungen. Diese Lücke im europäischen Zahlungsverkehr wollen wir mit dem digitalen Euro nun schließen.
Mit dem Start von Wero im Juli 2024 ist ein Teil der Banken einiger Länder des Euroraums zusammengekommen, um eine europäische Zahlungslösung zu entwickeln. Ich traue dem Projekt viel zu. Derzeit ist Wero aber noch auf wenige Länder, Banken und Anwendungsfälle begrenzt. Solch private Lösungen könnten zukünftig aber ein wichtiger Partner für den digitalen Euro werden.
Wo hat Europa Nachholbedarf, was machen andere Länder besser?
Im Zahlungsverkehr sind wir bereits bei vielen Themen gut aufgestellt. Die EU hat bereits wichtige Schritte unternommen, um die negativen Auswirkungen von Krypto-Token zu begrenzen. Mit dem digitalen Euro haben wir die Chance, unsere Währung zukunftsfähig aufzustellen und weltweit eine führende Rolle bei digitalen Währungen einzunehmen. Wenn wir das aktuelle Tempo beibehalten, können wir nicht nur bedeutende Fortschritte erzielen, sondern auch zeigen, dass Europa in der Lage ist, die Zukunft des Zahlungsverkehrs aktiv zu gestalten.
Würden Sie raten, in Bitcoin zu investieren?
Wir als Bundesbank geben keine Ratschläge, wie die Menschen ihr Geld investieren sollten. Es ist jedoch wichtig, zu verstehen, dass Bitcoin ein hochspekulatives Anlageobjekt ist und starken Kursschwankungen unterliegt. Dieses Risiko muss einem Anleger bewusst sein.
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